«Zugespitzter» Journalismus in einem Suizidfall
Ein 19-jähriger Schreinerlehrling, der seit dem 7. Juli im solothurnischen Breitenbach vermisst worden war, hat mit einem Sturmgewehr unweit des Wohnortes Suizid begangen. Die Leiche wurde erst nach zehn Tagen gefunden, obwohl eine ausgedehnte Suchaktion stattgefunden hatte. Zum tragischen Geschehen gehört ein gravierender Nebenaspekt: Die Polizei war von der Zeitung «Blick» auf eine falsche Spur gelockt worden.
Frisierte Internet-Einträge
In der Berichterstattung zum Verschwinden des Lehrlings lenkte das Blatt die Mutmassungen am 16. Juli auf eine neue Fährte, als es über rechtsextreme Verbindungen berichtete und die Frage stellte, ob dem Vermissten die Neonazi-Szene zum Verhängnis geworden sei. Als «Beweis» wurde auf Informationen im Internet verwiesen. Einen Tag später konnte man den Erfolg der Bemühungen melden; mit Unterstützung des Bundesamtes für Polizei wurden auch Ermittlungen in der rechtsradikalen Szene aufgenommen.
Dabei stellte sich durch eine richterlich verfügte Überprüfung heraus, dass die Urheber von zwei der vier Einträge in einem rechten Internetforum «Blick»-Reporter waren. Sie hatten der Geschichte erst jenen Dreh verliehen, der eine aufmerksame Leserschaft sicherte. Das wird von Chefredaktor Jürg Lehmann nicht bestritten. Er erklärte gegenüber der «Sonntags-Zeitung», einer der beiden Journalisten habe fristlos gekündigt und die Konsequenzen aus einer Vorladung der Polizei gezogen. Die Integrität und die Glaubwürdigkeit des Blattes seien verletzt worden.
Ein Fall für den Presserat?
Eine Verletzung der Integrität (der vom Suizidfall Betroffenen) ist auch für die Solothurner Kantonspolizei gegeben. Im Zusammenhang mit einer allfälligen Strafanzeige gegen die Journalisten werden mit den Organen der Bundespolizei und mit der Familie weitere Abklärungen vorgenommen. Zudem habe die falsche Spur Ressourcen der Polizei unnötig gebunden und die Ermittlungen behindert. Das Polizeikommando erwägt daher, den Fall dem Presserat vorzulegen.