Abendspaziergänge ? wohin?

BernerZeitung

Der 6. antifaschistische Abendspaziergang findet ohne die eigentliche Kerngruppe statt. Im Organisationsbündnis ist man sich nämlich seit geraumer Zeit uneins über die Art, wie demonstriert werden soll.

«Wenns nach mir geht, gibt es keinen antifaschistischen Abendspaziergang mehr», sagte Ursula Begert nach den Ausschreitungen vom letzten Jahr. Der bürgerlichen Polizeidirektorin, die früher unverhohlen ihre Sympathie zur Antifa bekundet hatte, war wegen der Scharmützel der Kragen geplatzt. Viel erstaunlicher noch: Die Antifaschistische Aktion selber stellte wegen der Gewalttätigkeiten die Zukunft der Abendspaziergänge in Frage. Die Demos hätten sich in eine Richtung entwickelt, die kaum noch dazu geeignet sei, Inhalte zu vermitteln, liess sie per Communiqué verlauten.

Interne Querelen

Die inneren Konflikte im 1999 gegründeten Bündnis «Alle gegen Rechts» traten so offener zu Tage. Einige Wochen später gab die Kerngruppe Antifa definitiv ihren Austritt aus dem Bündnis bekannt. «Wir wünschten uns einen bunteren und breiter abgestützten Abendspaziergang, der mit weniger martialischem Auftreten auskommt», schreibt die Gruppe. Da eine Öffnung und Erneuerung nicht mehrheitsfähig sei, wolle sich die Antifa künftig vermehrt auf Recherche und Öffentlichkeitsarbeit konzentrieren. So wie letzte Woche, als sie Verbindungen von Schweizer Demokraten mit rechtsradikalen Pnos-Leuten im Raum Burgdorf aufdeckte und publik machte (diese Zeitung berichtete).

Seit elf Jahren aktiv

Die Gründung der Antifa Bern geht auf das Jahr 1994 zurück. Als damals die Neofaschistische Front zur «Glatzenparty» in der Bundesstadt aufrief, stiess sie von der Reitschule her auf heftigen Widerstand. Mehr als hundert Jugendliche lieferten sich eine Massenschlägerei. Antifa Bern war geboren. Rund ein Dutzend Mitglieder soll der harte Kern gezählt haben. Und diese Leute zwischen 18 und 30 Jahren machten es sich fortan zur Aufgabe, «die Öffentlichkeit auf den zunehmenden Rassismus und die rechte Gewalt aufmerksam zu machen». Sie trugen Fakten zum rechtsextremen Milieu zusammen, denunzierten Skin-Treffen und griffen auch wiederholt zu Mitteln der Selbstjustiz. So liessen sie etwa den Parteitag der Pnos (Partei national orientierter Schweizer) platzen, brachen das Auto des Chefideologen auf und entwendeten Interna, um diese auszuwerten.

Seit ihrer Gründung ist die Bewegung stetig gewachsen. Die Strukturen haben sich gefestigt. Heut steht die schweiz-weite Vernetzung mit anderen Antifa-Bewegungen im Zentrum der Bemühungen.

Friedlich und vermummt

Auch wenn der Abendspaziergang noch immer unter dem Antifa-Label läuft; sie ist nicht mehr dabei. Spazieren wird am Samstag ein buntes Gebilde aus linken Gruppierungen, Einzelpersonen und Mitläufern ? Autonomen eben, die jede Zusammenarbeit mit der Polizei ablehnen. Schwarz vermummt gehen diese auf die Strasse, um sich «vor Repressalien seitens der Polizei und Faschos» zu schützen.

Friedlich soll der Umzug am Samstag werden, versprechen die Demonstranten. Mehr als einmal haben sie bewiesen, dass sie zu solcher Selbstdisziplin fähig sind. Ob sie diesen Beweis am Samstag erneut antreten können, wird über die weitere Zukunft der Abendspaziergänge entscheiden.

Was macht die Reitschule?

Ob die Reitschule am Samstag geöffnet bleibt, war bis Redaktionsschluss noch nicht klar. Es ist allerdings wenig wahrscheinlich, dass die Veranstaltungen in Theater, Kino, Frauenraum und Dachstock wegen der Demo abgesagt werden.pas

Barbara Hayoz

«Ich bin nicht zuversichtlich»Zweimal schon liessen die Demoorganisatoren sie abblitzen. Doch Barbara Hayoz sucht weiter das Gespräch. Drei Tage vor dem konfliktträchtigen Ereignis schwindet jedoch ihre Hoffnung auf Erfolg.

Frau Hayoz, für den Antifa-Abendspaziergang vom Samstag liegt keine Bewilligung vor. Die Polizei hat das Demobündnis zweimal vergeblich zum Dialog eingeladen. Jetzt probieren Sie es ein drittes Mal. Glauben Sie noch an Erfolg?

Barbara Hayoz: Wir müssen bis zum letzten Tag versuchen, mit dem Bündnis «Alle gegen Rechts» in Kontakt zu treten. Nur im Dialog können wir eine gute Lösung finden. Der Dialog muss auch im Interesse des Bündnisses liegen. Diese Leute haben ja eine Botschaft zu übermitteln ? jedenfalls sagen sie das. Aber ob wir wirklich noch zu ihnen durchdringen? Da bin ich nicht sehr zuversichtlich.

Sie rennen dem Bündnis hinterher, stellen ein Ultimatum nach dem anderen. Verlieren Sie da nicht Ihre Glaubwürdigkeit?

Nein. Der Gemeinderat vertritt die Haltung, dass Verhandlungen und Dialog stattfinden müssen, damit die Kundgebung gut und geordnet ab- laufen kann. Diese Botschaft probieren wir weiterhin rüberzubringen ? im Interesse von allen Beteiligten.

Sie haben zwei Demorouten angeboten, falls es zu Gesprächen kommt. Diese führen sogar teilweise durch die Innenstadt.

Ja, das ist richtig.

Falls das Bündnis wie angekündigt jegliche Verhandlungen verweigert, verweigern Sie ihm dann die Strasse?

Diese Frage kann ich jetzt nicht mit Ja oder Nein beantworten. Ganz klar ist aber: Unsere Strategie hängt ganz wesentlich davon ab, ob und wie das Bündnis bereit ist, mit uns zu sprechen. Es bleiben noch ein paar Tage Zeit.

Liesse sich eine Kundgebung mit 3000 oder 4000 Personen überhaupt einfach so auflösen?

Die Polizei hat Möglichkeiten, so eine Veranstaltung im Vorfeld zu verhindern. Technisch ist das machbar. Das hängt vom Dispositiv ab.

Die Polizei wird also voraussichtlich mit einem ähnlichen Grossaufgebot präsent sein wie bei den Anti-WEF-Demos.

Das hängt von der Verhandlungsbereitschaft ab. Wenn keine Lösung gefunden wird, bleiben viele friedliche Demonstranten der Kundgebung fern, was wiederum Einfluss auf unser Dispositiv hat. Sicher aber ist schon jetzt: Die Polizei wird am 12. März sehr stark präsent sein. Mit Unterstützung des Nordwestschweizer Polizeikonkordats werden die Einsatzkräfte verhindern, dass es zu Sachbeschädigungen kommt.