Nach den Auseinandersetzungen vom Samstag in der Stadt Bern stellt Antifa den Antifaschistischen Abendspaziergang selbst in Frage
Stefan Bühler
«Wir werden auch nicht vor der Frage zurückschrecken, ob ein Abendspaziergang in dieser Art und Weise die geeignete Plattform ist für unsere Inhalte.» So endet ein zweiseitiges Communiqué, das die Antifa gestern den Medien zukommen liess ? in dem sich die Antifa so klar von Randalierern und Sachbeschädigungen distanziert wie noch nie. Die Antifa, «als kleiner Teil des ,Bündnis gegen Rechts?», blicke «mit gemischten Gefühlen» auf den Antifaschistischen Abendspaziergang zurück, heisst es darin. Da sei einerseits die bisher nie erreichte Zahl an Teilnehmenden, die «ein wichtiges Zeichen für eine solidarische und tolerante Gesellschaft» gesetzt hätten. Aber: «Leider wurden durch das massive Polizeiaufgebot und sinnlose Störaktionen innerhalb der Demonstration die Inhalte des Abendspaziergangs in den Hintergrund gedrängt.» Die starke Polizeipräsenz habe schon zu Beginn für eine angespannte Atmosphäre gesorgt. «Die von einzelnen Teilnehmenden gezündeten Knallpetarden waren ebenso weder beruhigend noch angebracht.» Und später hätten Einzelne die Menge dazu missbraucht, «um ihren unpolitischen Zerstörungsgelüsten nachkommen zu können. Wir verurteilen dies!» Der «Demoschutz» habe versucht, «die wenigen Einzelpersonen vor sinnlosen und destruktiven Aktionen (wie Autos Zerkratzen) abzuhalten». Und auch nach Ende der Kundgebung sei es das Bestreben des Demoschutzes gewesen, die Leute von Ausschreitungen abzuhalten ? dies habe sich aber als schwierig und gefährlich erwiesen. «Einerseits feuerte die Polizei ununterbrochen Gummischrot und Gas auf den Parkplatz, andererseits waren die gegen die Polizei agierenden Personen nicht gerade kooperativ und hatten scheinbar wenig Interesse an unseren politischen Inhalten.»
«Ungute Aufrüstungsspirale»
Nebst dieser Kritik an den Randalierern in den eigenen Reihen stellt die Antifa indes auch die Polizeitaktik der «engen Begleitung» in Frage: Den Polizeigrenadieren, die am Rande des Umzugs hätten marschieren müssen, sei «die Angst teilweise regelrecht ins Gesicht geschrieben» gewesen. Eine panikartige Reaktion der Polizei, das Risiko von Nahschüssen mit Gummigeschossen sei gross gewesen. Deshalb würden sich wohl immer mehr Demonstrierende mit Helmen und Schutzbrillen ausrüsten. Dies sei eine «ungute Aufrüstungsspirale». Weiter kritisiert sie, dass SCB-Fans, darunter angeblich «Dutzende von Nazi-Hooligans mit zum Hitlergruss erhobenen Armen», über die Lorrainebrücke gelangen konnten. Schliesslich ist für die Antifa unverständlich, dass die Polizei das Bollwerk sperrte, die geschlossene Rückkehr von Demonstrierenden zum Bahnhof verhinderte.Die Polizei habe einen zweiten Umzug eines Teils der Demonstrierenden durch die Innenstadt verhindern wollen, erklärte Polizeisprecher Franz Märki gestern die Sperrung des Bollwerks.
Erschreckend viele Betrunkene
Die Antifa spricht in ihrer Mitteilung ein weiteres Problem an: «Die zahlreichen alkoholisierten TeilnehmerInnen haben uns erschreckt.» Schon seit Jahren würden Demonstrationsteilnehmende von den politisch organisierten Gruppen darauf aufmerksam gemacht, dass Alkohol und Drogen irgendwelcher Art an einer Demo nichts verloren hätten. «Offensichtlich müssen wir noch einiges an Aufklärungsarbeit leisten.»
«Einsatz wird risikoreicher»
Zu schaffen machten die Betrunkenen auch der Polizei: «Die Gefahr, dass sich solche Leute mit zunehmendem Alkoholkonsum immer weniger unter Kontrolle haben, ist grösser ? unser Einsatz wird damit risikoreicher», sagt Märki. An sich sei Alkoholkonsum an Demos «nicht neu», Tatsache sei auch, «dass Jugendliche heute generell mehr Alkohol trinken». Am Samstag sei das Problem wohl durch den Umstand verschärft worden, dass viele Jugendliche schon am Nachmittag an der Antikriegskundgebung teilgenommen und von da an bis zum Abendspaziergang «wahrscheinlich nicht nur warmen Tee getrunken haben», wie Märki sagt.
SD: «Gnueg Heu dunge»
Nachdem die SVP schon am Sonntag in einer Mitteilung gegen die Vorfälle rund um den Antifaschistischen Spaziergang protestiert und die Reitschule kritisiert hat (siehe «Bund» von gestern), legten die politischen Parteien gestern Zurückhaltung an den Tag. Bloss die Schweizer Demokraten (SD) meldeten sich zu Wort. Es sei nun «endgültig gnueg Heu dunge», schrieben sie in einer Pressemitteilung. Der Antifaschistische Abendspaziergang dürfe «keine Fortsetzung mehr haben». Die Antifa habe «mit ihrem unkontrollierbaren, verheerenden Demonstrationszug erneut bewiesen, dass sie eine staatsfeindliche Vereinigung mit terroristenähnlichem Verhalten ist». Die Schweizer Demokraten künden an, im Stadtrat einen Vorstoss einzubringen, mit dem sie ein «Verbot von weiteren Demonstrationen der Antifa und deren gesinnungsnahen Organisationen» verlangen wollen.