Die umstrittenen Böhsen Onkelz kommen ins (ausverkaufte) Z 7
Von SILVANO CERUTTI
Wenn die Böhsen Onkelz weiterhin von ihrer rechtsradikalen Vergangenheit verfolgt werden, dann nicht unbedingt aus den Gründen, die man ihnen unterstellt. Man braucht auf dem rechten Auge nicht blind zu sein, um den Böhsen Onkelz zu glauben, dass sie mit dem Rechtsradikalismus nichts mehr zu tun haben. Nur hat sich die Frankfurter Band deswegen nicht zur Trägerin linker Ideale gemausert. Vielmehr stellt sie eine Art SVP des Rock ’n‘ Roll dar: eine Protestpartei mit mangelnder Tiefenschärfe, in der verärgert und gelegentlich auch hilflos über die komplizierte Welt gepoltert wird. Das liegt innerhalb der Grenzen des demokratischen Spielraums, weshalb die Platten der Band heute nicht mehr indiziert werden, sondern in den vorderen Rängen der Hitparade mitmischen. Das kann man unsympathisch finden und natürlich liegt es mit dem Mythos eines «links-rebellischen» Popbetriebs über Kreuz. Das ist jedoch nur ein Aspekt in der Kontroverse um die Band.
Die 1979 gegründeten Onkelz stehen für die Kehrseite einiger Pop-Ideale. Die stets beschworene «street credibility» beispielsweise – die nur zu oft von Kunststudenten mit Gitarren gesucht wird – ist bei den Onkelz gegeben. Die Band stand nicht von ungefähr im Ruf, jedes Bier, über das sie singe, auch selbst getrunken zu haben. Zu Beginn der achtziger Jahre unterschied sich das Leben der Onkelz kaum von demjenigen ihrer rüden Fans. Der andauernde Paria-Status der Band im Popbetrieb birgt bis heute Identifikationspotenzial im Lager all derer, die sich vom Leben benachteiligt fühlen.
Auch musikalisch bewegt sich die Band nicht weit vom einfachen Leben weg. Ihre Songs sind nicht raffiniert strukturiert, die Platten klingen heute noch etwas roh gezimmert, der Bildungsbürger sagte «primitiv». Genau diese «Primitivität» (im Rockgeschäft ist der Unterschied zwischen primitiv oder nicht ohnehin oft bloss eine Frage des Standpunktes) ermöglicht jugendlichen Fans eine Abgrenzung gegenüber den Eltern. Ausserdem funktioniert die Identifikation über das Gefühl, es «mit einem von uns» zu tun zu haben und nicht mit einem eitlen Popstar, der seine Projektionsfläche erst in der unüberwindbaren Distanz seines Glamour-Lebens entfaltet.
Nicht zuletzt präsentieren die Onkelz auch ein etwas altmodisches, aber klar umrissenes Bild von Männlichkeit. Die für Protest fast prototypische Jugendbewegung des Punkrock (aus dem die Onkelz stammen) galt nämlich vielen Protestlern als unattraktiv, weil links und somit sowohl verweichlicht als auch verweiblicht. Besonders bei Jugendlichen aus der Arbeiterschicht passt(e) das nicht zum Selbstbild. Das Spiel mit den Geschlechter-identitäten ist im Rock ’n‘ Roll ohnehin weit weniger institutionalisiert, als was man gemeinhin vermutet.
Die Onkelz stehen für den ehrlichen, etwas ungehobelten Kumpelmacho, was einem männlichen Idealtyp der rechten Szene entspricht. So hat Franz Kohler, Leiter der Beratungsstelle Rechtsextremismus beider Basel, in seinen Kriseninterventionen die stets gleiche Situation angetroffen: jugendliche Rechtsradikale zwischen schwachen oder kaum präsenten Vätern und Müttern, die das Machotum der Söhne zumindest unterschwellig gut heissen. Unter diesen Umständen werden die Onkelz auch für ein Publikum attraktiv bleiben, das sie nicht mehr bedienen wollen.
Pratteln, Z 7, Do, 10. Juli 20 Uhr