Der Oltener Heinz Kaiser hat sich dem Kampf gegen Neonazis verschrieben und ist zu deren Feindbild Nummer 1 geworden. Ein Leben mit massiven Drohungen und Polizeischutz ist die Folge. Aufhören will er trotzdem nicht.
Von Daniel Foppa
Olten. – Wäre Heinz Kaiser nicht Träger des schwarzen Karategürtels, hätte der Vorfall an jenem Abend vor acht Jahren böse geendet. Er war auf dem Nachhauseweg, als plötzlich zwei Rechtsextreme mit abgebrochenen Bierflaschen auf ihn losgingen. Kampfsportlehrer Kaiser setzte sich zur Wehr, und die Angreifer landeten im Krankenhaus. Der Polizei musste er begreifbar machen, dass er alleine gehandelt hatte und nicht noch mehr Personen am Vorfall beteiligt waren.
Tatsächlich sieht man Kaiser den Karatelehrer nicht an. Der 57-Jährige wirkt zwar drahtig und flink – dennoch kam man ihn sich nur schwer als Bruce Lee vorstellen. Ãœberhaupt erscheint der gelernte Bauspengler als die Friedfertigkeit in Person, als ein Mann, dem man die selbst gewählte Bezeichnung «Menschenhelfer» abnimmt.
Als Discjockey eine Legende
Kaiser wächst in Olten auf und erzielt nach einer Spenglerlehre als Discjockey «Tscheisi» nationale Berühmtheit. Er ist der erste Schweizer DJ, der vom Plattenauflegen lebt. Von den Beatles bis zu Heavy Metal spielt «Tscheisi» die Musik seiner Zeit und greift selbst zur Gitarre. Ein Schallplattencover zeigt ihn mit Hippiemähne und träumerischem Blick. «Eine strube Zeit.» Kaiser lacht und wird nachdenklich. Er erzählt von der Selbstzerstörung vieler Freunde durch Alkohol und Drogen.
Als DJ ist er mittendrin – und lässt die Finger davon. Stattdessen gründet er die Aktion No Drugs und ruft von der Bühne herunter dazu auf, die Finger von Drogen zu lassen. «Ich konnte nicht bloss zuschauen», sagt Kaiser. 18 Jahre lang ist er DJ, bevor er den Beruf an den Nagel hängt und nach einer Zeit als Videofilmer Karate entdeckt. «Eine hervorragende Persönlichkeitsschulung», betont Kaiser. Schon bald eröffnet er seine eigene Karateschule. Und kommt dabei in Kontakt mit der rechten Szene in der Schweiz.
«Nicht schon wieder der Kaiser»
Anfang der Neunzigerjahre wird das Thema Rechtsextremismus wegen Nazi-Schmierereien und Pöbeleien in Olten und Umgebung zum Thema. Kaiser realisiert, dass einer seiner Schüler bekennender Neonazi ist. Wiederum fühlt er sich berufen, etwas dagegen zu tun. Er verzeigt den SBB-Angestellten beim Arbeitgeber und bei der Polizei. Der junge Mann verliert den Job und wird wegen Verteilen rassistischer Propaganda verurteilt. Karatelehrer Kaiser befasst sich eingehender mit der Szene, stösst auf erschreckenden Hass und Gewaltbereitschaft auf der einen, auf Ignoranz und Ohnmacht auf der anderen Seite. «Ich hab mir das Thema nicht ausgesucht», sagt Kaiser heute. Er habe Neuland betreten und sei auf enormen Erklärungsbedarf gestossen.
Mit der Zeit melden sich besorgte Eltern, deren Söhne plötzlich mit Glatze und Springerstiefeln herummarschieren. Kaiser sammelt Material, beobachtet die Szene und wird zum Experten. Die Behörden verfolgen sein Tun mit Skepsis, vielen gilt er als Querulant und nicht als Warner. «Nicht schon wieder der Kaiser», heisst es bei der Polizei, wenn Kaiser vor einem Neonazi-Treffen warnen oder Strafanzeige einreichen will. So wird er zwei Stunden hingehalten, als er den Neonazi Bernhard Schaub nach einer rassistischen Hetzrede anzeigen will. «Ich wurde jahrelang nicht ernst genommen», sagt Kaiser, der wohl oder übel zum Einzelkämpfer wird – und schliesslich doch Recht bekommt.
Lose Radmuttern, Morddrohungen
Spätestens seit den Neonazi-Aufmärschen an den 1.-August-Feiern auf dem Rütli oder den kommunalen Wahlerfolgen der rechtsextremen Partei National Orientierter Schweizer (Pnos) ist die Öffentlichkeit alarmiert. Kaiser lobt unterdessen sogar die Zusammenarbeit mit den Behörden. Als er letzte Woche die Polizei vor einem Rechtsextremen-Treffen in Aarau warnte, verhinderte sie den Aufmarsch durch ihre Präsenz. «So stelle ich mir die Kooperation zwischen Zivilgesellschaft und Behörden vor», sagt Kaiser. Er selbst muss seine Zivilcourage allerdings teuer bezahlen. Zerstochene Pneus, gelöste Radmuttern, Morddrohungen – Kaiser, seine Freundin und die erwachsene Tochter haben damit zu leben, im Fadenkreuz der Rechtsextremen zu stehen. Wenn es die Polizei für nötig erachtet, wird ihr Haus rund um die Uhr bewacht. Kaiser selbst meidet Menschenansammlungen und bewegt sich zumeist entlang von Häuserwänden fort, um möglichst wenig Angriffsfläche zu liefern. Er habe sich eine dicke Haut zugelegt, sagt der gehetzt wirkende Mann, doch man spürt, wie verletzlich er darunter ist. Ein kürzlich im Internet aufgetauchtes Video stellt nach, wie Kaiser mit einem Kopfschuss hingerichtet wird. Dass dieses Video sogar auf der Homepage amerikanischer Rassisten zu finden ist, zeigt die Dimension des Hasses. «Natürlich erschüttert mich das», sagt Kaiser, der sich auf stundenlangen Spaziergängen mit seinem Wolfshund abzulenken versucht.
Für ein Verbot der Pnos
An Kapitulation habe er trotzdem nie gedacht. «Die rechte Szene wächst. Wir müssen handeln», betont Kaiser. Momentan kämpft er für ein Verbot der Pnos, deren Exponenten er mehrfach erfolgreich wegen Rassendiskriminierung angezeigt hat. Zudem betreibt er eine Helpline für Gewaltopfer und unterstützt ausstiegswillige Neonazis. Stolz zeigt er einen Brief eines ehemaligen Rechtsextremen, der ihn um Mithilfe beim Aufbau eines Ausstiegsprogramms ersucht. Und fast schon unerwartet offen gibt er zu, wie sehr er sich über die steigende Wertschätzung für sein unentgeltliches Tun freut. «Langsam kommt etwas zurück», sagt Kaiser, der im Januar 2007 in Deutschland als erster Schweizer mit der Ehrenmitgliedschaft der Organisation Weltbürger Europas ausgezeichnet wird. Hierzulande wurde er noch nie geehrt.