Obwohl die Partei Pascal Junod rauswerfen will, fällt ihr die Abgrenzung gegen braune Sympathisanten schwer
VON MATTHIAS BAER
BERN – Bis Ende Monat hat die Genfer SVP-Kantonalpartei noch Zeit, den rechtsextremen Anwalt Pascal Junod auszuschliessen. Falls die Genfer der Aufforderung von Parteipräsident Ueli Maurer nicht nachkommen, droht ihnen der kollektive Rauswurf. «Wir werden Herrn Junod kaum ausschliessen», sagt Pierre Schifferli, Vizepräsident der Genfer SVP. Junod dürfte aber von sich aus gehen, um weiteren Schaden von der Partei abzuwenden. In einem Brief, den die Genfer diese Woche nach Bern schickten, versichern sie, der nationalen Partei «keinesfalls den Krieg erklären» zu wollen. Dennoch sind sie bitter enttäuscht, wie sich die «Direktion» durch eine «Manipulation im Stile des alten KGB» habe beinflussen lassen. Vizepräsident Schifferli setzt noch einen drauf: «Die einzige Strafklage, die derzeit gegen uns vorliegt, hat die nationale Partei zu verantworten.» Wegen des umstrittenen SVP-Asylplakates, das die Zentrale auch in der Westschweiz aufhängen liess, klagte die Genfer PdA auf Verletzung der Antirassismusnorm.
Die braunen Sprüche von Michael Mathys werden als naiv verharmlost
Das Murren am Lac Léman dürfte die nationale Parteileitung verkraften können. Doch kaum ist der Fall Junod einigermassen unter Kontrolle, treffen bereits neue schlechte Nachrichten ein: Michael Mathys, Nationalratskandidat der Aargauer Jungen SVP, hatte im Internet frei von der braunen Leber gechattet. Personen aus dem Balkan hätten «teilweise eine so katastrophale Mentalität, dass mir eine Rassenlehre nach Hitler durchaus adäquat erscheint, um dies zu erklären». Wie in Genf stellt sich auch hier die Kantonalpartei schützend vor ihr Mitglied: Mathys sei einfach etwas naiv gewesen. Und wiederum wiegelt die nationale SVP zunächst einmal ab. «Es ist zwar eine absolut unentschuldbare Entgleisung», sagt Maurer, «aber sie entspricht nicht der Grundhaltung von Mathys.» Etwas entschiedener agiert hingegen die Kantonspolizei, welche morgen Montag zu ermitteln beginnt. Die Fälle Mathys und Junod belegen eindeutig: Die SVP hat ein Problem mit Rechtsextremen. «Sie ist zwar eine demokratische Partei», sagt Boël Sambuc, Vizepräsidentin der eidgenössischen Kommission gegen Rassismus, «aber sie wird unterwandert von antidemokratischen Kräften.» Bei Auftritten von Christoph Blocher tauchen im Publikum immer wieder Skinheads auf, die im Zürcher Volkstribun einen Hoffnungsträger sehen. Das Magazin «Facts» berichtete von einer Schweizer Skin-Webseite, die als einzigen «Patriotischen Link» Blochers Homepage angibt. Am eindrücklichsten marschierte diese unerwünschte Gefolgschaft vor vier Jahren in Zürich auf: Quasi im Schutz der offiziellen Blocher-Demo gegen einen EU-Beitritt schlugen Skins brutal zu. Während sich die Parteilleitung von solchen Rechtsextremen abgrenzt, lässt sie andere, die bessere Umgangsformen haben, gewähren. So gehört Schaumwein-Produzent Emil Rahm, in dessen Publikationen die «jüdische Weltverschwörung» verbreitet wird, zum tolerierten Spektrum der SVP. Für die Schweizer Demokratie sei dies positiv, sagt Parteipräsident Ueli Maurer: «Weil wir auch rechtsbürgerliche Positionen abdecken, hat es in der Schweiz keinen Platz für eine eigentliche Rechtsaussenpartei.» Der Berner Politologe Hans Hirter gibt ihm teilweise Recht. Die SVP binde ein rechtes Protestpotenzial in die Konkordanz ein: «Christoph Blocher agiert trotz allem konsensnaher als etwa Jörg Haider in Österreich.» Als Beispiel erwähnt Hirter die Abstimmung über das Antirassismusgesetz, bei welcher sich der Zürcher Parteiflügel zurückgehalten habe. Heikel sei allerdings, dass sich Rechtsextreme in gewissen Haltungen durch die SVP bestätigt sehen könnten: «Damit müssen aber auch die Medien umgehen, wenn sie etwa negative asylpolitische Umfragen publizieren.»
Ueli Maurer kündigt schärfere Richtlinien für neue Mitglieder an
Peter Niggli, Mitautor eines Standardwerkes über den Aufstieg der SVP zur führenden Rechtspartei der Schweiz («Rechte Seilschaften»), beharrt auf einer klaren Verantwortung: «Viele Neonazis sehen in Blocher ihren legalen Arm.» Dass die SVP die übrigen Rechtsaussenparteien überflüssig mache, sei wenig erstaunlich, habe sie doch deren Positionen übernommen. Niggli sarkastisch: «Nun haben wir einfach eine Schweizer-Demokraten-Partei, die es auf 20 statt nur 3 Prozent schafft und erst noch einen Bundesrat stellt.» Diesen Erfolg wollen die SVP-Chefs lieber ohne rechtsextremen Sukkurs konsolidieren. Maurer stellt schärfere Richtlinien für neu Eintretende in Aussicht. Das lange Zögern im Fall Junod lässt allerdings den Verdacht aufkommen, dass man sich mehr ums Image als ethische Werte sorgt: Gehandelt wurde erst auf massiven öffentlichen Druck. «Zwielichtige Figuren schrecken die liberaleren Wähler ab», sagt Politologe Hirter, «und die Rechten wählen ja sowieso SVP.» Etwas Eigennutz dürfte bei der Säuberungsaktion also durchaus mitspielen. Will die Blocher-Partei ihre ungebetenen Gäste wirklich loswerden, genügen organisatorische Massnahmen nicht. Solange die Partei immer auch ein bisschen rassistische und antidemokratische Bedürfnisse mitbedient – sei es mit dem Fahnenplakat oder der Maulkorbinitiative – werden Skins mitklatschen und Rechtsextreme beitreten. Boël Sambuc von der Kommission gegen Rassismus fordert klar: «Die Partei muss aufhören, an niedrigste Instinkte zu appellieren.» Nur so wird die SVP die Geister wieder los, die sie selbst gerufen hat.