Wieder Ärger für die Armee

Bund

Schwerwiegende Vorwürfe gegen zwei Wachtmeister

In der Anklageschrift zuhanden des Militärgerichts in Bern sind Straftatbestände gleich im Multipack aufgeführt. Zwei Vorgesetzten einer Artillerie-RS werden Körperverletzung, Rassismus und Drogenkonsum zur Last gelegt.

Andreas Schmid

Die 80 Rekruten der Kompanie 5 der Artillerie RS 30 in Frauenfeld erlebten vom November 2005 bis im Januar 2006 mit zwei ihrer Vorgesetzten die Hölle. Darauf lassen die Untersuchungen des Auditors – er nimmt im Militär die Funktion des Staatsanwalts ein – schliessen. In der dieser Tage ans Militärgericht 4 in Bern gesandten Anklage-schrift sind gleich reihenweise mutmassliche Straftaten der beiden Wachtmeister aufgelistet.

Bis die Finger bluteten

Die zwei als Zeitmilitärs tätigen Unteroffiziere – beide sind vorbestraft – schikanierten ihre Untergebenen im Wortsinn bis aufs Blut. So soll der eine den Rekruten Gewehr-manipulationen befohlen haben, bis ihre Finger zu bluten begannen. In einem anderen aktenkundigen Fall liess sich der Wachtmeister von Soldaten, die er auf diese Weise bestrafte, kilometerweit auf einer Bahre tragen. Ein Betroffener musste sich in der Folge ärztlich behandeln lassen. Der Vorgesetzte beschimpfte laut Anklageschrift in anderen Situationen die Westschweizer Rekruten aufs Übelste, zielte mit der Pistole auf einen Wachhabenden und sagte während einer Nachtübung, man müsste gewisse Untergebene an eine Wand stellen und erschiessen. 15 Rekruten, die aufgrund einer ärztlichen Dispens keine schweren Geschütze tragen durften, liess er einmal während mehrerer Minuten in Reih und Glied verharren, das Gesicht wenige Zentimeter von einer Mauer entfernt. Gemeinsam mit dem Mitangeklagten soll der Unteroffizier zudem Marihuana geraucht haben.

Dem zweiten Wachtmeister wird zusätzlich zum Drogendelikt vorgeworfen, er habe auf korrekte Gefechtsmeldungen mehrfach den Hitlergruss gezeigt und mit «Heil» geantwortet. Zudem habe er sich wiederholt rassistisch geäussert. Damit nicht genug: Der Wachtmeister habe robbende Soldaten mit dem Fuss auf den Boden gedrückt, verschiedentlich getreten und beschimpft. Ein weiterer mutmasslicher Straftatbestand betrifft die «unrechtmässige Aneignung» von Munition.

Zivil ist der zweite Angeklagte als Verkehrsrowdy aufgefallen: Wegen grober Verletzung der Verkehrsregeln wurde er Anfang 2004 zu zehn Tagen Gefängnis bedingt verurteilt.

Nach zehn Wochen dispensiert

Die beiden Angeklagten konnten ihr Regime zehn Wochen lang aufrechterhalten, bis ihr Verhalten ruchbar wurde. Der Frauenfelder Schulkommandant dispensierte den Ostschweizer und den Innerschweizer Wachtmeister sogleich vom Dienst, als er von deren Umgang mit den Rekruten erfuhr. Beim Oberauditorat verlangte er noch gleichentags eine Voruntersuchung.

Die Anklage wirft dem einen Unteroffizier gesamthaft neun, dem anderen sogar elf Straftatbestände vor. Der genaue Prozesstermin am Militärgericht steht noch nicht fest. Frank Zellweger, Sprecher der Militärjustiz, will die aussergewöhnliche Ausgangslage mit einer ganzen Reihe von Anklagepunkten nicht kommentieren: Es sei am Gericht, zu befinden, ob und welche Handlungen zu Verurteilungen führten. So lässt Zellweger auch offen, für wie gravierend er die zur Diskussion stehenden Taten hält und ob sie für die Angeklagten zu Ausschlüssen aus der Armee führen können.

Immer wieder Vorfälle

Vor knapp zwei Wochen bereits ist die Armee wegen zweier unbotmässiger Wachtmeister und eines Soldaten in Negativschlagzeilen geraten. Das Militärgericht in Yverdon verurteilte drei Grenadiere wegen Rassendiskriminierung zu Geldstrafen. Sie hatten im August 2005 während der RS in Isone zur gegenseitigen Begrüssung den Hitlergruss benutzt und waren mit rassistischen und rechtsextremen Aussagen aufgefallen.

Trotz erklärter Nulltoleranz gegenüber rassistischen Armeeangehörigen sind die Verantwortlichen immer wieder mit dem Problem konfrontiert. Etwa im Fall des Skinheads, der im April 2003 in Frauenfeld mitbeteiligt war, als ein Jugendlicher zum lebenslang Schwerstbehinderten geprügelt wurde: Der Täter musste für den Prozess Urlaub vom Militär beantragen – der angehende Korporal leistete gerade Dienst in der Kaderschule in Thun.

Exponenten aus der rechtsextremen Szene tauchen ab und zu in militärischen Kaderpositionen auf. Die gesetzlichen Grundlagen, um das zu verhindern, fehlen. Selbst verurteilte Extremisten können nicht aus der Armee verbannt werden. So war ein Oberleutnant, der nach der Teilnahme an einer rassistischen Kundgebung mit einer bedingten Gefängnisstrafe und einer Geldbusse belegt worden war, nicht vom Militärdienst auszuschliessen.