Erstmals ist an einer bernischen Schule rechtsextremes Propagandamaterial aufgetaucht: Ein Lehrling hat an der Berufsfachschule Emmental in Burgdorf eine einschlägige CD weitergegeben. Er kam mit einer Verwarnung davon.
stefan von below
„Anpassung ist Feigheit – Lieder aus dem Untergrund“: So lautet der Titel einer CD, die seit einiger Zeit in Deutschland und zunehmend auch in der Schweiz auf Pausenplätzen kursiert. Die Bands, die darauf vertreten sind, tragen Namen wie Aufmarsch, Endlöser, Faustrecht oder Reichswehr. Welche Botschaft das als „Schulhof-CD“ bekannt gewordene Werk vermitteln will, ist dem Begleittext auf der Homepage der Herausgeber zu entnehmen (www.schulhof.net): Es richtet sich gegen die Demokratie, gegen den „unerträglich hohen Zuzug von Fremden in unser Land“, gegen „Multikulti, das nicht funktionieren kann“, gegen „antideutsche Geschichtsschreibung“ und überhaupt „gegen dieses korrupte System“. Kurz: Auf der Gratis-CD wird rechtsextremes Gedankengut in Reinkultur besungen.
Bernische Pausenplätze blieben bisher von der „Schulhof-CD“ weitgehend verschont – das ist der Antwort des Regierungsrats auf eine Interpellation der Burgdorfer Grossrätin Johanna Wälti (gfl) zu entnehmen. Weitgehend, aber nicht ganz: An der Berufsfachschule Emmental sei letzten Herbst ein Exemplar davon sichergestellt worden. „Die CD wurde uns von Schülern abgegeben“, bestätigt Vizerektor Christian Stalder. „Darauf begannen wir uns umzuh�ren, woher sie kommt.“ Ein Lehrling habe schliesslich zugegeben, die CD weitergegeben zu haben. Ob er noch weitere Exemplare in Umlauf gebracht hat, ist unbekannt.
„In einer absoluten Grauzone“
„Er versuchte sich damit herauszureden, dass die CD nichts Verbotenes enthalte.“ Die Schulleitung sei ihrerseits der Ansicht, dass die Texte inhaltlich“in einer absoluten Grauzone“ lägen. Propaganda werde jedoch auf dem Schulareal nicht toleriert – weder von links noch von rechts. „Wenn wir auf so etwas stossen, gehen wir dem nach.“ Der betreffende Lehrling sei mündlich verwarnt worden, sagt Stalder. „Wenn das noch einmal vorkommt, gehen wir massiver vor.“ Ein Rauswurf komme allerdings nur als Ultima Ratio in Frage. „Dazu müssten wir erst beim Kanton einen Antrag stellen.“
Stalder legt Wert auf die Feststellung, dass es an der Berufsfachschule Emmental „im Grossen und Ganzen ruhig“ zu und her gehe. Zwar gebe es in einigen Klassen „zwei, drei Rechte und Linke“, die man im Auge behalte, aber Ereignisse wie der Fund der „Schulhof-CD“ seien bislang nicht vorgekommen. „Das ist der erste Fall, bei dem ich so etwas in die Finger bekam.“ Hingegen stosse man ab und zu, insbesondere vor Wahlen, auf Propagandamaterial sowohl von rechter als auch von linker Provenienz. Dieses werde jeweils entfernt.
Auch ausserhalb der Schulhöfe
Eigentliche Verteilaktionen von rechtsradikaler Propaganda seien bislang weder auf den Pausenplätzen der Volksschulen noch an Gymnasien und Berufsfachschulen im Kanton Bern vorgekommen, schreibt der Regierungsrat in seiner Antwort auf die Interpellation. Auch der Kantonspolizei seien bisher keine solchen Aktivitäten gemeldet worden. Hingegen wurden ihr in mehreren Fällen Exemplare der „Schulhof-CD“ aus der Bevölkerung zugetragen. Eines davon sei letzten Herbst in den Briefkasten der Gemeindeverwaltung von Moosseedorf geworfen worden, ein anderes brachte ein 18-Jähriger in Wangen an der Aare auf den Posten – mit der Angabe, er habe es von Unbekannten aus der rechten Szene erhalten. Auch in Huttwil bot ein Unbekannter einer erwachsenen Person eine CD an, die sie daraufhin zur Polizei brachte. In der Region Interlaken hat diese einen jungen Rechtsradikalen als Verteiler ermittelt. Bei einem Gesinnungsgenossen in Unterseen wurden gar neun Stück gefunden. Die Ermittlungen dazu seien indes noch nicht abgeschlossen, schreibt der Regierungsrat.
Vom Burgdorfer Fall hatte die Kantonspolizei bislang keine Kenntnis, wie gestern auf Anfrage zu erfahren war. Man suche nicht aktiv nach solchen CDs, weil Gerichte in anderen Kantonen befunden hätten, dass ihr Inhalt nicht unter den Antirassismusartikel falle. Diese Einschätzung teilt auch der Rechtsextremismusexperte Hans Stutz. Die „Schulhof-CD“ bewege sich tatsächlich in einer rechtlichen Grauzone, sagt er.