Archer Lehrer hätte nicht entlassen werden dürfen
Das Verwaltungsgericht tadelt die Schulkommission von Arch: Sie hatte einen Lehrer entlassen, weil er sich gegen rassistische Äusserungen von Schülern wehrte. Die Kündigung war rechtswidrig, fand das Gericht.
*Eveline Kunz
«Es ist erschütternd, wie unfähig sich die Schulkommission verhalten hat», befand Peter Ludwig, Vorsitzender des Verwaltungsgerichts. «Während sich der Lehrer Peter Fasnacht klar zu seiner antirassistischen Haltung bekannte, beschränkte sich die Schulkommission darauf, die Vorfälle zu verharmlosen», sagte Verwaltungsrichter Frédéric Maeder. Es war sein Engagement gegen Rassismus, das dem Sekundarlehrer nach Auffassung des Gerichts zum Verhängnis wurde: Die Archer Schulkommission entliess ihn im Sommer 1998.
Von Schülern beschimpft
Die Kündigung war der Gipfel eines schwelenden Konfliktes in Arch: Wegen rassistischer Übergriffe von Jugendlichen geriet die Gemeinde im unteren Bürenamt seit 1993 mehrmals in Schlagzeilen. Als eine Klasse mit Ausländerkindern Arch besuchte, wurde sie von Schülern mit Hitlergruss, Naziparolen und dem Ruf «Raus aus Arch, Ausländerpack» begrüsst. 1994 verprügelten zwei Jugendliche aus dem Nachbardorf Leuzigen einen Tamilen. Jugendliche überfielen ein Lager von Pfadfindern und zwangen sie zum Hitlergruss.
Fasnacht setzte sich gegen diese Tendenzen zur Wehr, besuchte mit seiner Klasse Holocaust-Überlebende und eine Synagoge und organisierte ein Podiumsgespräch zum Thema «Gewalt und Rassismus». 1995 beschimpften zwei Schüler mehrere Lehrer, darunter auch Fasnacht, mit rassistischen Ausdrücken. Die Lehrer reichten Strafanzeige ein. Im folgenden Jahr wurde einer der Schüler wegen Rassendiskriminierung und Beschimpfung, der andere wegen Verleumdung und Beschimpfung verurteilt. Der damalige Präsident der Schulkommission, Ralph Würth, erklärte in einem Interview: «Das Passierte hat nichts mit Rassismus zu tun. (…) Die betroffenen Lehrer sind zu 50% selber schuld an ihrer Situation.» Im April 1996 kündigte die Schulkommission den Lehrer Peter Fasnacht, obwohl er bis 1998 gewählt war. Einer der Gründe lautete «Unterstellung von Rassismus gegenüber den Sekundarschülern von Arch». Weiter warf man Fasnacht vor, geheime Protokolle und Fotos veröffentlicht zu haben; unter anderem vom Keller der Schule, dessen Wand mit Hakenkreuzen und «Schweiz erwache»-Parolen verschmiert war. Zudem unterstellte man ihm «totale Überforderung». Weil Fasnacht bis 1998 gewählt war, war die Kündigung offensichtlich rechtswidrig. Die Schulkommission zog sie deshalb zurück. Die Parteien schlossen im August 1996 eine Vereinbarung: Fasnacht würde ein Jahr lang beurlaubt und bei der Erziehungsdirektion arbeiten. Falls er danach keine neue Stelle gefunden hätte, würde er an die Oberstufen-Schule Arch zurückkehren.
Vorwürfe blieben
Nach Ablauf seines Bildungsurlaubes teilte Fasnacht der Schulkommission mit, er sei nicht in der Lage, wieder in Arch zu unterrichten. Die Vorwürfe, die sie gegen ihn erhoben hatte, standen immer noch im Raum. Die Kommission hatte sich lediglich für den Formfehler der Kündigung entschuldigt, nicht aber für die Vorwürfe. Unter diesen unzumutbaren Umständen könne sein Mandant in Arch nicht mehr arbeiten, teilte der Anwalt Fasnachts der Schulkommission mit. Ab Herbst 1997 wurde Fasnacht arbeitsunfähig geschrieben. Im Januar 1998 kündigte ihm die Schulkommission erneut. Diesmal wegen «Arbeitsverweigerung». Er habe die Vereinbarung vom August 1996 nicht eingehalten. Fasnacht wehrte sich mit einer Beschwerde an den Regierungsstatthalter. Dieser bestätigte den Entscheid. «Kündigung war Unrecht»
Gestern befasste sich das Verwaltungsgericht mit Fasnachts Beschwerde. «Würden wir die Kündigung schützen, würden wir Unrecht schützen», befand Ersatzrichterin Christine Bigler. Mit vier zu einer Stimme stellte das Gericht fest, dass die Kündigung rechtswidrig war. Die Vorwürfe der Schulkommission hätten den Ruf und die Laufbahn des Lehrers zerstört, urteilte Verwaltungsrichter Maeder. Die Kommission hatte sich geweigert, die nicht erhärteten und teils widerlegten Vorwürfe zurückzunehmen. Im Gegenteil: Sie hatte die rassistischen Vorfälle hartnäckig verharmlost. Damit habe sie den Lehrer einer unzumutbaren psychischen Dauerbelastung ausgesetzt, so Maeder. Diese sei der Grund für seine Krankheit gewesen, welche die Kommission wiederum als Grund für die Kündigung angab. Die Schulkommission berief sich somit auf einen Kündigungsgrund, den sie selbst verursacht hatte. Deshalb war die Kündigung rechtsmissbräuchlich, urteilte das Gericht. Nach Arch wird Fasnacht aber nicht zurückkehren: Ein Psychiater attestierte ihm Berufsunfähigkeit. Seit November 1998 ist der 53-jährige frühzeitig pensioniert. Der Gemeindeverband Oberstufenzentrum Arch muss ihm für das Verfahren 20 000 Franken Parteikosten ersetzen.*