«Solche Anlässe sind sehr wichtig»
Burgdorf Antirassistisches Festival kämpft mit Fakten und Fest gegen Rechtsextremismus
Wer am Samstag in Burgdorf durch den Gotthelfpark spazierte, der erfuhr, dass gemäss einer Nationalfonds-Studie rund achthundert Burgdorferinnen und Burgdorfer rechtsextrem denken. Das mit Fakten bepflasterte Pärklein war ein Ort des antirassistischen Festivals in Burgdorf.
Jessica Allemann
Hier werden Secondhandkleider für einen Franken angeboten, dort laden Bänke und Tische zum Verweilen ein. Ein Chansonier mit Gitarre unterhält die wenigen Besucher mit französischen und arabischen Liedern. Jugendliche in Springerstiefeln und bedruckten T-Shirts tummeln sich auf dem Kinderspielplatz, spielen mit einem überdimensionierten Fussball, auf den die Kontinente aufgemalt sind, schunkeln auf den Schaukeln und scheinen mit sich und der Welt zufrieden zu sein.
Dass viele Menschen nicht alles als rosig empfinden, begründet den Anlass an sich. «Rund sieben Prozent der Schweizer Bevölkerung denken extrem rechts. Rassistisches Gedankengut schleicht sich in die Gesellschaft ein und wird stumm toleriert», sagt Raphael Strauss, Festival-Mitorganisator. Rechtsextreme Übergriffe seien nur der sichtbare Teil des Ganzen. «Mit der Fussball-WM ist der Patriotismus erst noch salonfähig gemacht worden. Vom Nationalstolz zur ausgrenzenden Fremdenfeindlichkeit ist es nicht mehr weit», sagt Strauss. Mit verschiedenen Anlässen wollen die Organisatoren eine möglichst breite Gesellschaft ansprechen und zum Nachdenken anregen. Das Kinderprogramm auf dem Spielplatz und der Flohmarkt im Gotthelfpark sollen in erster Linie Familien, die Konzerte am Abend eher Jugendliche und junge Erwachsene ansprechen.
«Solche Anlässe sind wichtig»
«Es ist wichtig, dass auf die Missstände aufmerksam gemacht wird, und das nicht nur, wenn in den Medien wieder von gewalttätigen Übergriffen die Rede ist», so Strauss. Leider sei es schwierig, die Leute zu mobilisieren, «vielleicht fehlt das Interesse». «Schade, dass noch nicht so viele Leute hier sind», findet auch Martin Schwander aus Oberburg, der zufällig vorbei gekommen ist und die Flohmarktware genauer unter die Lupe nimmt. Solche Anlässe seien wichtig für Burgdorf und die Umgebung, «man muss Zeichen setzen, zeigen, dass eine Mehrheit nicht hinter diesen rechtsextremen Schlägertypen steht». Franziska Hafner aus Kirchberg findet es gut, mitten in der Stadt Position zu beziehen: «Das ist viel direkter als über die Medien zu erfahren, dass es eine Gegenseite zu den Rechtsextremen gibt.»
Gesellschaft aufmischen
Neben dem Park steht eine Gruppe junger Männer vor besprayten Graffiti-Platten. Der Sprayerworkshop «Zeichen setzen» gehört zu den Aktivitäten des Festivals. Gesprayt wurden provokative Schriftzüge wie «Hass – ein gutes Gefühl, nicht wahr?». Politisch aktiv sei man nicht. «Ich will einfach meine Bierchen trinken, Musik hören und meinen Spass haben. Dafür brauche ich nicht einer Gesinnung nachzurennen», sagt der 17-jährige Kewe. Mit Glatze, Camouflage-Outfit und weissen Schnürsenkeln in den Springerstiefeln könnten er und seine Kumpels leicht als rechtsextreme Neonazis durchgehen. Man wolle provozieren und die Gesellschaft aufmischen. «Die Leute sind voller Vorurteile und meinen, vom Äusseren auf den Menschen schliessen zu können», gibt Kewe zu bedenken, «das klappt hier nicht.»
Erfolg am Abend
Das antirassistische Wochenende fand zum zweiten Mal statt und wurde vor der Kulturstatt Burgdorf und dem Verein Nestbau organisiert. Unterstützt wurden die Anlässe von der Fachstelle für Rassismusbekämpfung und dem GGG-Fon, dem Beratungs- und Informationsangebot der Regionen Bern und Burgdorf zum Thema Gewalt und Rassismus. Vom mässigen Publikumsinteresse am Samstagnachmittag zeigte sich Nadaw Penner (Kulturstatt) enttäuscht. «Dafür kamen zu den Konzerten am Abend etwa 300 Leute.» Die Konzerte seien friedlich verlaufen. Einzig zwei einschlägig bekannte Rechtsextreme hätten erfolglos eine Provokation versucht.