Gefährlicher Optimismus

Facts

Die Neonazis mischen sich friedlich unter die Besucher des Dorffestes in Brunnen. In diese Hoffnung flüchten sich die Behörden des Kantons Schwyz für den 1. August.

Die offizielle Feier auf dem Rütli ist gebodigt. Jetzt gerät das nahe Brunnen ins Visier der Neonazis. Die Schwyzer Politiker setzen angesichts der Glatzeninvasion auf das Prinzip Hoffnung: Sie vertrauen in ihrem Sicherheitskonzept darauf, dass sich die Rechtsextremen am Nationalfeiertag friedlich verhalten.

Die Schwyzer Polizei geht heute davon aus, dass die 700 Neonazis, die in der Vergangenheit auf das Rütli kamen, am 1. August zum Sturm auf Brunnen blasen. Dies sagt eine Quelle aus regierungsnahen Kreisen, die das Konzept kennt. Der Schwyzer Landammann Alois Christen bestätigt: «Wenn die Rechten kommen, dann nach Brunnen.» Die Gemeinde am Vierwaldstättersee veranstaltet dieses Jahr eine grosse 1.-August-Feier und hofft auf 5000 Touristen als Besucher.

Obwohl die Behörden mit einem Ansturm der Neonazis rechnen, ist während des Festes nicht etwa die Polizei für die Sicherheit zuständig. «Wir machen es wie am Barstreet-Festival in Küssnacht. Für die Sicherheit an der Nationalfeier ist eine private Security-Firma verantwortlich», sagt Christen. «Die Polizeibeamten stationieren wir ausserhalb des Festgeländes. Sie schreiten erst auf Meldung der privaten Sicherheitskräfte ein.»

Offenbar vertrauen die Schwyzer darauf, dass die Rechtsextremen keine Probleme bereiten. «Die Regierung geht davon aus, dass sich die Neonazis friedlich unter die Festbesucher mischen und in der Menge nicht auffallen», sagt der Insider. Alois Christen meint dazu: «Ein absolutes Drama muss man nicht heraufbeschwören. Ein normaler Rechter schlägt nichts zusammen.»

Diese Einstellung überrascht: Schweizer Neonazis haben in den vergangenen Jahren immer wieder dreingeschlagen und Andersdenkende zum Teil schwer verletzt. Kommt hinzu: Nicht nur sie haben angekündigt, am 1. August in die Innerschweiz zu kommen. Auch die Linksextremen sind auf Zoff aus. Das Bündnis für ein buntes Brunnen will dorthin gehen, wo die Rechtsextremen aufmarschieren ? um einen rechten Saubannerzug auf eigene Faust zu verhindern. Gewaltsame Ausschreitungen sind programmiert.

Falls die Neonazis in Brunnen rassistische Sprüche johlen, sollen die Schwyzer Polizisten nicht einschreiten. «Die Anweisungen lauten: Polizeibeamte in Zivil filmen die Rechtsextremen, falls sie strafbare Sprüche skandieren», sagt der Insider. «Die Feier wird nicht mit Verhaftungen gestört. Die Neonazis werden erst im Nachhinein auf Grund der Videoaufnahmen zur Rechenschaft gezogen.» Diese Informationen will Christen nicht bestätigen. Nur so viel: «Was wir im Fall von rassistischen Sprüchen und Transparenten unternehmen, wird noch Diskussionen geben.»

Klar ist, dass die Schwyzer Polizisten beim Bahnhof Brunnen und bei der Autobahnausfahrt Personenkontrollen durchführen werden. «Verdächtige Personen schicken wir zurück», sagt Alois Christen. Das ganze Dorf will er allerdings nicht absperren. Über die Feldwege können die Extremisten ungehindert nach Brunnen gelangen. In den übrigen Teilen des Kantons ? selbst im nahe gelegenen Hauptort Schwyz ? sind laut Christen «keine Sicherheitsvorkehrungen geplant.»

Wo sich die Neonazis am 1. August in Szene setzen, hängt von der weiteren Entwicklung um die Rütlifeier ab. Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey will um jeden Preis auf die Wiese gehen, obwohl die Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft (SGG) die offizielle Feier abgesagt hat. SP-Präsident Hans-Jürg Fehr hat die Schweizerinnen und Schweizer aufgerufen, am Nationalfeiertag auf das Rütli zu wandern. Gut möglich ist jedoch, dass die SGG das Rütli sperrt. Die Neonazis dürften in diesem Fall nach Brunnen strömen ? dort sind sie schon in den letzten Jahren am Nationalfeiertag durchs Dorf marschiert. Heuer werden sie wohl einfach etwas länger bleiben.