Landbote
Rund 400 Personen haben am Samstagan der bewilligten «Demonstration gegen rechtsextreme Gewalt»teilgenommen. Die von der Stadt- und Kantonspolizei begleitete Demonstrationverlief ohne Zwischenfälle. Auch die befürchteten Nach-Demosblieben aus.
(thl)
Aus allen Richtungen sind sie am Samstagzum Archplatz geströmt: Punks mit wilden Irokesenfrisuren, mit Bierbeladene Frauen in Kampfstiefeln und Autonome mit Chiappas-Solidaritäts-T-Shirt.Rund 400, meist jugendliche Personen waren dem Aufruf der Plakate und derMundpropaganda gefolgt; aus Bern, Graubünden und sogar der Westschweizwaren sie angereist. Die Stadtpolizei, verstärkt durch ein Kontingentder Kantonspolizei, beobachtete den Aufmarsch mit Argusaugen. Am Bahnhofplatzwurden Personenkontrollen durchgeführt und dabei drei Personen dermilitanten Szene festgenommen. Zwei trugen unerlaubte Waffen auf sich,eine Person war zur Festnahme ausgeschrieben.
Unter den Demonstranten fanden sichaber auch etwas ältere, unauffällig gekleidete Semester. Zu diesenzählten die Organisatoren der Demonstration: Eine Gruppe von 15 Leutenaus dem Umfeld der Alternativbeiz «Widder», alle um die 30Jahre alt. Wiederholt war der «Widder» in letzter Zeit Zielrechtsextremer Übergriffe gewesen. Eigentlicher Auslöser fürdie Demonstration war ein Überfall von gegen 30 Skinheads auf den«Widder» am 20. März gewesen.
Kurz nach 14.30 Uhr ergriff ChristianMuntwyler, Sprecher des OKs, das Mikrofon. In Winterthur sei in den letztenMonaten eine «organisierte Szene» von Rechtsextremen entstanden,die auch Kontakte zu auswärtigen Gruppierungen unterhalte. UnmittelbareFolgen dieser Entwicklung seien die quantitative wie qualitative Zunahmeder Übergriffe sowie die Sogwirkung Winterthurs auf auswärtigeRechtsextreme. «Mittlerweile lassen sich in Winterthur beinahe jedesWochenende grössere Ansammlungen von hiesigen und auswärtigenRechtsextremen beobachten, welche äusserst aggressiv auftreten.»Gefährdet seien vor allem Ausländer und Linke. Als ersten Erfolgin der Bekämpfung der Faschisten in Winterthur wertete Muntwyler,dass Polizeivorstand Hans Hollenstein gegenüber der Presse die Existenzeiner rechtsradikalen Szene zugegeben hat. Mit dieser Demonstration wolleman nun ein kräftiges, aber friedliches Zeichen gegen die rechtsextremeGewalt setzen und eine breitere Öffentlichkeit für die Problematiksensibilisieren.
Hierauf setzte sich der stattlicheDemonstrationszug auf der Technikumstrasse in Bewegung. Vorne wurden riesigeTransparente hochgehalten: «Rechtsextremes Denken und Handeln bekämpfen»und «Das Kapital ist das Benzin, der Faschismus die Flamme»stand da in Riesenlettern. Lautstark skandierte die Menge von Zeit zu ZeitSprüche wie «Flüchtlinge bleiben, Nazis vertreiben.»Zudem sorgte Rockmusik von einer generatorbetriebenen Stereoanlage füreine zusätzliche Geräuschkulisse. Mit von der Partie war auchder «Frauen-Lesben-Block». Dieser führte einen Wagen mitsich, auf dem eine Frau mit einem Beil symbolisch das Patriarchat zerschlägt.Beim ersten Halt am Holderplatz ergriffen die Frauen das Wort und sagtendem «rassistischen und sexistischen Normalzustand» den Kampfan. Hetero-Sexismus und Rassismus würden in sehr engem Zusammenhangstehen, verkündeten sie. Die Diskriminierungsmechanismen seien beiSexismen wie Rassismen dieselben.
Abriegelung der Altstadt
Die weitere Route führte den Demonstrationszugvom Holderplatz via General-Guisan-Strasse, Stadthausstrasse zum Bahnhofund von da via Kasinostrasse zum Neumarkt und wieder zum Archplatz. Aufder ganzen Strecke riegelte die Polizei, bewehrt mit Helm, Schild und Tränengasgeschossen,die Altstadt vor den Demonstranten ab. Gelegentlich versuchten Punks diePolizisten zu «bekehren» natürlich ohne Erfolg:«Hey, legt eure Waffen nieder und schliesst euch uns an.» Wiederandere zückten den Fotoapparat und hielten die Mauer aus Polizistenim Bild fest. Versuche, in die Altstadt durchzubrechen, wurden indes keineunternommen. Passanten bekamen Flugblätter mit den Anliegen der Demonstrantenin die Hand gedrückt.
In seiner Schlussansprache zeigte sichChristian Muntwyler über den unerwartet grossen Aufmarsch und denfriedlichen Verlauf der Demo sehr zufrieden. Kritisch äusserte ersich in bezug auf die Polizeipräsenz: Es sei «bedenklich»,dass die Polizei die Öffentlichkeit von der Demonstration abgeschottethabe. Dadurch sei der Bevölkerung suggeriert worden, die Demonstrantenseien gefährlich. Polizei-Einsatzleiter Louis Friedrich wehrte sichgegen diesen Vorwurf: Die Bevölkerung hätten sie durchgelassen,bloss nicht die Demonstranten. Im übrigen wand er den Organisatorenein Kränzchen: «Die haben das gut gemacht.» Nach Endeder Demonstration zerstreuten sich die Punks und Autonomen sehr rasch.Um 18 Uhr hielt sich noch eine grössere Gruppe im Stadtpark auf. EinEinsatzwagen der Stadtpolizei parkte sicherheitshalber in der Nähe.