Prachtexemplar der arischen Rasse, das T-Shirt der Aryan Nations aber – ein

AP

stilisiertes Hakenkreuz – trägt er mit Stolz. Der Eindruck von Harmlosigkeittäuscht. Wer in der Kirche der Aryan Nations zum Gottesdienst erscheint, istim Zweifelsfalle bereit, für die weisse Rasse zu sterben, mehr noch, er istbereit, Menschen anderer Hautfarbe umzubringen, wenn sie ihm in die Querekommen. Besuch aus Deutschland ist jedoch immer willkommen – aus dem“Heimatland“, wie es ein Kirchgänger formuliert.

Eine Kirche als Nazi-Museum
Ein Rundgang durch die Kirche weckt Erinnerungen an dunkle Zeiten. RichardButlers ganzer Stolz hängt in der Eingangshalle, links an der Wand: eineHakenkreuzfahne, original von den Nürnberger Reichsparteitagen, wie erbehauptet. Zwischen einem Stapel Propagandablättchen und Broschüren liegteine Schallplatte, „Marschmusik des III. Reiches“, mit schmissigen Titelnwie „Bomben auf Engeland“. Auf der gegenüberliegenden Seite, direkt nebendem Eingang der Kapelle, hängt das kantige Gesicht eines jungen Mannes inStahlhelm: „Waffen SS – Eintritt nach vollendetem 17. Lebensjahr.“ DerartigeDevotionalien kann man bei Gary Lauck bestellen, dem Führer der NSDAPAuslands- und Aufbauorganisation in Lincoln, Nebraska. Lauck ist erst voreinigen Wochen aus Deutschland zurückgekehrt, wo er vier Jahre wegenVertriebs von nationalsozialistischem Propagandamaterial im Gefängnis sass.

In der muffig riechenden Kapelle erreicht der Nazi-Kult absurde Dimensionen.Rechts von der Kanzel hängt eine weitere Hakenkreuzfahne, daneben steht einesilberne Büste von Adolf Hitler. Obwohl er den Führer wie einen Prophetenverehrt, hält Richard Butler Jesus Christus immer noch für die wichtigstePerson der Menschheitsgeschichte. Butler predigt eine Version Christentum,die den Rassenwahn des Dritten Reiches in Einklang bringt mit den Gesetzender Bibel. Anhänger dieser Religion, von denen es nach unterschiedlichenSchätzungen bis zu 50 000 in den USA gibt, nennen sich Identitätschristen.

Absurde Theorien
Identitätschristen glauben, dass die Arier von Adam – dem ersten weissenMenschen – und Eva abstammen und in biblischen Zeiten aus Palästina nachEuropa auswanderten. Sie seien das wahre Volk Israel, dessen rassische“Identität“ arisch und nicht jüdisch gewesen sei (daher der Name). Allenicht weissen Rassen, die „Schlamm-Menschen“, stammten dagegen ausvor-adamischer Zeit, sie seien misslungene Experimente Gottes und hättenkeine Seele. Manipuliert würden sie, so die abstruse „Heilslehre“, von derInkarnation des Bösen, den Juden, die ihre Existenz einem Flirt Evas mit demTeufel verdankten und seit biblischen Zeiten darauf aus seien, die weisseRasse zu zerstören. Identitätschristen behaupten, sie seien keine Rassisten.Zur Rechtfertigung geben sie an, Juden und Schwarze seien ohnehin nur halbeMenschen. Sie verübeln diesen nicht einmal ihre (angebliche) Minderwertig-und Boshaftigkeit, schliesslich könnten sie nichts für ihre Herkunft. „Ichbeschuldige keinen Juden für das, was er tut“, predigt Richard Butler. „Dazuist er schliesslich programmiert. Ich werfe auch keinem Nigger vor, Niggerzu sein, genauso wenig wie ich einem Hund vorwerfe, Hund zu sein.“ Einaltbekannter ideologischer Spagat, um den offensichtlichen Rassenhass zukaschieren.

Der wahre Sünder sei der weisse Mann, so Butler, denn er habe die Grenzender USA für all die Fremdlinge geöffnet, die ihm jetzt seinen Platz streitigmachten. Und das sei nicht nur schlecht für den weissen Mann selbst, sonderneine Missachtung göttlicher Gesetze. „Gottes Weissagungen richten sich nuran Weisse, ihr seid die Priester und Könige“, beschwört Butler diemännlichen Mitglieder seiner Gemeinde. „Ein Nigger kann die göttlichenGesetze nicht brechen, denn sie sind nicht für ihn gemacht.“

Als Alternative zur multikulturellen Gesellschaft, die in Idaho, einem zu 90Prozent weissen Staat, kaum wahrnehmbar ist, preist Butler seiner Gemeindeein „Paradies“ aus den Dreissigerjahren an. „Die einzigen Menschen, die dieorganische Struktur des Regierens verstanden haben, waren die Deutschen imDritten Reich. Sie haben Gottes Gesetze verwirklicht. In der Bibel steht,wir sollen alleine leben und uns nicht mit anderen vermischen.“

Die Saat des Hasses
Richard Butler ist alles andere als charismatisch, geschweige denn Furchteinflössend. Er hat blassgraue Augen, die leblos in die Gegend schauen, undseine rhetorischen Fähigkeiten lassen zu wünschen übrig. Das mag zum Teil anseinem Alter liegen (er ist 82 Jahre alt), aber Butler weiss selbst, dass ernicht der „grösste Kommunikator“ ist. Dennoch haben seine Hasspredigten imLaufe der Jahre immer wieder junge Männer zu Gewalttaten inspiriert.

Die berüchtigtste Terrororganisation, die im Umfeld der Aryan Nationsentstand, nannte sich „Der Orden“. Zwischen 1983 und 1984 überfiel derOrden, eine etwa zwanzigköpfige Gruppe, mehrere Geldtransporte und Banken,um seinen Krieg zur „Verteidigung der weissen Rasse“ zu finanzieren. Im Juni1984 ermordete der Orden den jüdischen Radiomoderator Allan Berg in Denver,der sich häufig und gerne über rechtsradikale Anrufer lustig gemacht hatte.

Kurze Zeit später war das FBI den Terroristen auf der Spur. Im Dezember 1984kam es zum Schusswechsel auf einer Insel nahe Seattle, bei dem der Anführerdes Ordens, Robbie Matthews, ums Leben kam. Die restlichen Mitgliederlandeten im Gefängnis, und alle nachfolgenden Versuche eines organisiertenweissen „Widerstandes“ endeten ähnlich.

Anfang der Neunzigerjahre änderten die amerikanischen Rechtsextremisten ihreTaktik. Auf einem Treffen in Colorado im Oktober 1992, an dem die Elite desRassenhasses teilnahm (so auch Butler), propagierte Louis Beam, einer derführenden Strategen in der Szene, das Prinzip des „führerlosenWiderstandes“. Anstatt sich in Gruppen zu organisieren, sollten nach BeamsVorstellungen kampfbereite Neonazis auf eigene Faust handeln und nicht aufBefehle von oben warten. In den folgenden Jahren nahmen die so genanntenHate Crimes – Verbrechen aus Hass – merklich zu. Juden, Schwarze,Homosexuelle und Ärzte, die Abtreibungen vornahmen, waren die bevorzugtenZiele.

Obgleich Richard Butler einer der führenden Vertreter des Rassenkrieges ist,hat es bislang kein Gericht geschafft, ihn direkt mit einem Verbrechen inVerbindung zu bringen. Seine Worte sind wohl kalkuliert, unmittelbareAufrufe zur Gewalt vermeidet er. Das ist auch nicht nötig, denn Eingeweihteverstehen Butlers Sprache auch so.

Wenn der Pastor etwa predigt, dass das „Ende nahe ist“ und im gleichenAtemzug Juden als „Antichristen“ bezeichnet, weiss jeder Identitätschrist,was die Stunde geschlagen hat. Denn um die Rückkehr Christi vorzubereiten,muss nach dieser Lehre der Rassenkrieg auf Erden beginnen. „In der Bibelsteht, dass in der Schlacht von Armageddon die Juden wie Stoppeln auf demFeld brennen werden“, sagt Jack Reed, 58, der im reifen Alter von 51 zumIdentitätschristen geworden ist.

Nach dem Gottesdienst in Hayden Lake versammeln sich Mitglieder der Gemeindeauf der überdachten Veranda vor der Kapelle. Die Männer rauchen, die Frauenkümmern sich um die Kinder. Shawn Winkler, einer der Sicherheitsposten,stellt sich mit seinen schweren Stiefeln auf die israelische Fahne, die vordem Eingang liegt und an der sich die Kirchgänger ihre Schuhe abwischen.

Glauben die jungen Männer, dass Butlers Worten nun Taten folgen müssen? „Ichglaube nicht an Gewalt“, sagt Mark Davies, 34, der fünf Jahre im Gefängnisverbrachte, weil er ein Mitglied einer schwarzen Gang niedergeschossenhatte. „Wir müssen vielmehr unsere eigenen Leute zum richtigen Denkenerziehen. Aber der Feind wird uns zwingen, Gewalt anzuwenden. Es wird nichtmehr lange dauern.“

Perverser Zynismus
Ein Skinhead, der mit seiner Frau und zwei Kindern aus Virginia nach HaydenLake gekommen ist und anonym bleiben möchte, sieht die Sache zynischer. Erist Krankenpfleger und hat sich viel mit Aids beschäftigt. „In Zimbabwesterben jede Woche 1000 Nigger an Aids. Das macht mich sehr glücklich. Undwussten Sie, dass 86 Prozent der Aidskranken in den USA Nigger sind? Wirbrauchen keine Gewalt anzuwenden, Gottes Plage erledigt unsere Feinde.“

„Zwei Prozent der weissen Rasse tragen das CCR5-Gen in sich, das sie immungegen Aids macht“, fährt er fort. „Andere Rassen haben dieses Gen nicht.Wenn sich Weisse nur unter Weissen fortpflanzen, werden wir die anderenRassen überleben.“

Buford Furrow, der Attentäter von Los Angeles, gilt hier als Feigling. „Ichhabe kein Mitleid mit den jüdischen Kindern“, sagt der Skinhead. „WennFurrow aber ein Märtyrer der Bewegung sein will, gibt es wichtigere Dinge zutun.“ Was, behält er lieber für sich.


Der Hass von rechts hat viele Väter

Viele rechtsextreme Organisationen in den USA rechtfertigen ihre Ideologiemit der Bibel.

Rassenhass in den USA hat verschiedene Wurzeln. Die älteste rechtsextremeOrganisation ist der Ku-Klux-Klan, der kurz nach dem Ende des amerikanischenBürgerkriegs 1865 gegründet wurde. Hauptziel des Klans war es, durchLynchmorde ehemalige Sklaven einzuschüchtern und die Vorkriegshierarchiezwischen Weissen und Schwarzen in den Südstaaten aufrechtzuerhalten.

Im Laufe seiner langen Geschichte hat sich der Klan in DutzendeOrganisationen aufgesplittert. Dennoch ist er heute vor allem in denSüdstaaten immer noch ein Sammelbecken für Rechtsextremisten.

Eine zweite Strömung des Rechtsextremismus entstand in den Sechziger- undSiebzigerjahren des 20. Jahrhunderts, mit Zentrum im mittleren undnördlichen Westen. Eine Organisation mit dem Namen Posse Comitatus rief ihreAnhänger zum Steuerboykott auf, weil sie die Zentralregierung in Washingtonfür korrupt und von Juden unterwandert glaubte.

Verschwörungstheorien
Der Posse Comitatus erklärte die Landwirtschaftskrise in den Achtzigerjahrenmit einer jüdischen Weltverschwörung und forderte die Farmer auf, sich mitWaffengewalt gegen Farmkonfiszierungen zu wehren.

Die Ideen des Posse Comitatus leben in Teilen der Milizbewegung fort, dienach dem Anschlag auf ein Regierungsgebäude in Oklahoma City im Mai 1995erstmals die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich zog.

Sowohl der Ku-Klux-Klan als auch die antisemitischen Organisationen immittleren und nördlichen Westen rechtfertigen ihre Rassenideologie mit derBibel, viele sind Anhänger des Identitätschristentums, wie es von RichardButler und den Aryan Nations gepredigt wird.

Neben den „biblischen“ Rechtsextremisten gibt es andere Organisationen wiedie White Aryan Resistance sowie Gary Laucks NSDAP-AO, die einen säkularenNeonazismus vertreten, teilweise aber mit den Identitätschristenzusammenarbeiten. Allen Gruppierungen ist gemeinsam, dass sie seit einigenJahren versuchen, in der wachsenden Skinhead-Szene Anhänger zu rekrutieren.(A. M.)