Rechtsextremismus im Seeland

BernerZeitung

Auf der Suche nach dem «Berserker»

Die rechtsextreme Szene in Bern wird immer grösser und gewalttätiger. Dadurch erleben auch die Skinheads-Magazine eine Blüte – beispielsweise der radikale «Berserker». Eine Spurensuche.

*Renzo Ruf

Zum «Berserker»?Nein, da wolle er keinen Kommentar abgeben, sagt der 26-jährige Seeländer Adrian X*. Es stimme zwar, dass er dieses rechtsextreme Blatt früher herausgegeben habe. Aber:«Heute habe ich damit nichts mehr zu tun.»Zur rechten Szene bestehe kein Kontakt mehr. «Da fehlt mir schlicht die Zeit dazu.» Vor zwei, drei Jahren habe er die Chefredaktion des «Berserkers» an jemand anderen übergeben. Den Namen des neuen Herausgebers allerdings will X nicht nennen. «Das müssen Sie nun auch verstehen.» Der Wunsch nach Anonymität ist kein Zufall:Der «Berserker» ist eines der Hefte, mit denen die wachsende Zahl von Rechtsextremen und Neonazis unterhalten und informiert wird. In einem anonymen Schreiben wurde die BZauf die Publikation aufmerksam gemacht.

«Die Stimme Helvetiens»
«Ein Musikheft, in dem Hardcore-Neonazi-Musik besprochen wird», urteilt Rechtsextremismus-Experte Hans Stutz über den «Berserker», der etwa seit 1993 existiert. «Andere Zines – so der Skin-Ausdruck für Magazin – sind politischer.» Seit Frühjahr 1998 allerdings gibt sich auch der «Berserker»einen politischen Anstrich. Original-Zitat:«Was sich in den bisherigen Ausgaben noch Skinhead- oder Musikmagazin schimpfte wird in Zukunft ‚Die Stimme Helvetiens‘ heissen», schreibt das «Berserker-Team». In Zukunft solle nicht mehr ausschliesslich über Musik berichtet werden, sondern auch vermehrt «Aufklärungsarbeit» geleistet werden – «sei es über Geschichte oder über Aktualitäten aus Politik und Wirtschaft.» Der «verlogenen Presse» könne nämlich kein Glaube mehr geschenkt werden.

«Unappetitlich»
Und so sieht die «Aufklärungsarbeit» aus: Steven Spielbergs Sklavendrama «Amistad» wird mit schnodderigen Bemerkungen abgekanzelt. «Vielleicht hat man ja von diesen eingleisigen und in keiner Weise objektiven Spielchen, die die Weissen stets als Verlierer und Schuldige in die Ecke stelle auch langsam aber sicher die Nase gestrichen voll», urteilt der Chefredaktor in einer Filmkritik.
Ein weiteres Beispiel gefällig? In einer «Reportage» über die Kritik am Verhalten der Schweiz während des Zweiten Weltkrieges schreibt der «Berserker»:«Genug ist genug. Wer die ganzen Fäden in der Hand hält und welche Ziele das Biest verfolgt ist uns allen klar.» Und wers immer noch nicht kapiert hat, dem hilft eine Karikatur über das «Manipuliermedium Fernsehen», inklusive antisemitischer Anspielung.
Auch in seinen Musik-Tipps und Interviews ist der «Berserker» nicht zimperlich. Gelobt werden die Hardcore-Gruppen, wenn sie von den «miesen Machenschaften des Demokröten-Systems» singen oder vom «Widerstand gegen die Unterdrückung». Auszug aus einem Interview mit der Band «Storm»: «Unsere Politiker reden über ein vereinigtes Europas. Was denkt Ihr über diese Leute?» – «Politiker sind Abschaum. Gierige Marionetten von Zion. Ihre EU ist nichts anderes als eine kapitalistische Verschwörung, eine Fortpflanzung des multikulturellen Mülls an ihre Meister.»
Fazit der Bundespolizei:«Unappetitlich», so Jürg Siegfried Bühler. Allerdings bewege sich die Publikation im Grenzbereich und eigentliche Aufrufe zur Gewalt gegen Andersdenkende würden vermieden. Verstösse gegen das Antirassismus-Gesetz seien nicht nachweisbar.

Wer steckt dahinter?
Vertrieben wurde der letzte «Berserker», welcher der BZvorliegt, über ein Postfach im aargauischen Berikon. Das gleiche Postfach dient auch als Kontaktadresse zu den Hammerskins (SHS). Diese sind laut Experte Jürg Frischknecht «so etwas wie die Dachorganisation der helvetischen Glatzen». «Offizielles Sprachrohr der SHSwar der ‚Berserker‘ aber nie», weiss Szenenkenner Hans Stutz. «In der Region Bern organisieren sich die Rechtsextremen cliquenartig und in kleinen Gruppen», sagt Stutz. Wer wem angehöre und sich welcher Dachorganisation zurechne, sei häufig nicht ersichtlich – so bleibt auch der Staatsschutzbericht 1999 bei der Gruppierung «Berserker» vage. Unklar ist den Experten, wer heute hinter dem Pseudonym «Berserker» steckt – und wer beim Schreiben des kleinformatigen Heftes mithilft. Bekannt war nur, dass ein «Adrian» hinter der Publikation steckte, weiss Stutz. Insider vermuteten zudem, dass er der Chef der lokalen Neonazi-Struktur sei. Aus den Texten im Skinheft schlossen aufmerksame Leser zudem, dass der Herausgeber im Raum Bern wohnt. Klar ist zudem, dass es sich bei «Ädu»nicht um den 28-jährigen Seeländer Adrian Y handeln kann. Dieser ist zwar in der Region als Anhänger der patriotischen, rechten Szene bekannt. In seiner Wohnung in einem schmucklosen Mehrfamilienhaus hat er auf einen Festnetzanschluss verzichtet -die Adresse rückt er ungern heraus. Zudem engagiert sich Y politisch: Er sitzt im Vorstand der Jungen Schweizer Demokraten.

«Nicht sehr überrascht»
Mit dem «Berserker» aber will er nichts zu tun haben-«nie habe ich eine solche Publikation herausgegeben», sagt Adrian Y. Das bestätigt auch der frühere Herausgeber: «Adrian Y habe ich die Herausgabe des ‚Berserkers‘ nicht übergeben», sagt X. Nachtrag:Obwohl die Verbindung zum «Berserker» nicht oder nicht mehr besteht, sind X und Y einschlägig bekannt. Jürg Siegfried Bühler von der Bundespolizei jedenfalls zeigt sich jedenfalls «nicht sehr überrascht», diesen Namen im Zusammenhang mit der rechtsextremen Szene zu hören. Genauere Auskunft aber könne er nicht geben. Angesprochen auf diese Information sagen die beiden Seeländer unisono:EineJugendsünde. Vor Jahren hätten sie verbotene CDs im Ausland bestellt, die an der Grenze abgefangen wurden.*

*Alle Namen sind der Redaktion bekannt.