Demokraten
LANGENTHAL / Den Schweizer Demokraten scheint es nicht zu passen, dass immer öfter über gewalttätige Rechtsextreme geschrieben wird. Nun versuchen sie gleich selber, andere Schlagzeilen zu machen: Via Flugblatt attackieren sie den 22-jährigen Linken Serge Wüthrich massiv. Unterstützt wird die Aktion von Nationalrat Bernhard Hess.
* CHRISTINE BRAND
Auf der Rückseite des orangefarbenen Flugblattes der Schweizer Demokraten (sd) findet sich nichts Überraschendes: «Nein zur EU» steht da geschrieben, zehnmal «Nein». Als Walter Wüthrich, Gemeinderat von Langenthal, aber die Vorderseite des Flugblattes studierte, welches auch in seinem Briefkasten gelandet war, erschrak er gehörig. Von drei Bildern blickte ihm sein 22-jähriger Sohn Serge entgegen – als Stadtratskandidat, als Demonstrant und gemütlich bei einem Glas Bier sitzend.
Der Text des Flugblattes, welches die Jungen Schweizer Demokraten rund 5000-mal gedruckt haben, ist allerdings alles andere als gemütlich: «Zentrum für Chaoten in Langenthal?», wird im Titel gefragt. Das Schreiben richtet sich gegen das in Langenthal geplante autonome Kultur- und Begegnungszentrum (LaKuZ) – und vor allem gegen dessen 22-jährigen Initianten Serge Wüthrich: Er wird als «unverbesserlicher Chaot» bezeichnet und beschuldigt, Plakate anderer Parteien heruntergerissen, vermummt an «gewalttätigen Kundgebungen» teilgenommen und randaliert zu haben. Und weiter: Gemeinderat Walter Wüthrich «hilft seinem gewalttätigen Sohn» bei der Suche nach einem geeigneten Zentrum. Ganz generell wollen die Schweizer Demokraten beobachtet haben, dass in Langenthal «Linksextreme» schon länger auf sich aufmerksam machten: «Schmierereien, illegale Kundgebungen, Vandalismus, Pöbeleien, Hausbesetzungen, ja sogar Übergriffe auf andere Jugendliche mussten registriert werden.»
Bernhard Hess hilft mit
Eine öffentliche Attacke von rechts- gegen linksgesinnte Jugendliche, direkt unter die Gürtellinie gezielt, könnte man meinen. Doch weit gefehlt: Das Flugblatt wird nicht nur von den Jungen Schweizer Demokraten in Langenthal gestreut. Es wird – mit ordentlichem Begleitbrief – ebenfalls an die Presse verschickt. Der Unterzeichnende, der im Beibrief vom «linken Filz» in den «höchsten Etagen der Langenthaler Exekutive» und vom «gewaltbereiten Sprössling» schreibt, ist SD-Nationalrat Bernhard Hess. Hess macht in seinem Schreiben auf die «gewaltbereiten Linksaktivisten» aufmerksam und bezeichnet Serge Wüthrich als «bekennenden linken Gewalttäter.» Die SD, schreibt Hess, seien nötigenfalls bereit, den Erwerb der 300 000 Franken teuren Liegenschaft an der Farbgasse mittels Referendum zu vereiteln. Nur: Die Liegenschaft ist – unabhängig vom LaKuZ – bereits erworben, ein Gebrauchsvertrag wird mit den LaKuZ-Leuten derzeit ausgearbeitet, ein Referendum ist gar nicht möglich. Und überhaupt: «Es stimmt nicht, dass es in Langenthal Probleme mit Linksextremen gibt», widerspricht Langenthals Stadtpräsident Hans-Jürg Käser. Es habe weder illegale Kundgebungen noch Vandalismus oder Pöbeleien in erhöhtem Masse gegeben. Käser: «Das Flugblatt ist völlig überrissen in seiner Darstellung.» Er sei erschrocken über den Tonfall im Flugblatt und im Beibrief. «Es befremdet mich, dass man Dinge behauptet, von denen man gar keine Kenntnis hat.» Aber er kenne Bernhard Hess noch aus der gemeinsamen Zeit im bernischen Grossen Rat. «Er sieht sehr schnell sehr schwarz-weiss», sagt Käser, «sehr digital.» Über den Tonfall, in dem das Flugblatt verfasst ist, mag sich Walter Wüthrich gar nicht äussern. «Es stehen etliche Unwahrheiten darin», sagt er. Die Vorwürfe seien völlig aus der Luft gegriffen. «Es stimmt, dass sich mein Sohn an vorderster Front für das Zentrum einsetzt», räumt Wüthrich ein. «Das heisst aber noch lange nicht, dass er gewalttätig ist.»
Klage eingereicht
Der angeblich «gewalttätige Chaot» selber nimmts indessen ziemlich gelassen. «Ich bin schon erschrocken, als ich das Flugblatt sah», gibt Serge Wüthrich zwar zu. Gross aus der Ruhe bringen lässt er sich aber nicht. «Die Vorwürfe sind unwahr und haltlos», erklärt er. «Die Behauptungen beeindrucken mich nicht gross.» Es gehe den SD wohl darum, das LaKuZ zu verhindern, «indem sie versuchen, mich zu kriminalisieren». Serge Wüthrich und Walter Wüthrich haben unabhängig von- einander gegen die Jungen Schweizer Demokraten Oberaargau eine Klage wegen Ehrverletzung eingereicht. Bernhard Hess lässt sich dadurch freilich nicht beeindrucken. Er beklagt, dass in Sachen Rechts- und Linksextremismus ganz offensichtlich nicht mit gleich langen Ellen gemessen werde.«Ich persönlich bin schon von Linksextremisten bedroht worden», klagt er. An die beiden Wüthrichs richtet er indes Kritik: «Wenn man in der Politik aktiv ist, darf man nicht so mimosenhaft sein», sagt Hess. «Beides sind Personen der Öffentlichkeit.» Hess ist sich nach wie vor sicher, am längeren Hebel zu sitzen: «Ich habe keine Ahnung, warum der Vater klagt», erklärt er. «Und bei Serge Wüthrich haben wir klare Beweise und Zeugen. Es stimmt, was wir geschrieben haben.» Jetzt sei es Sache der Juristen, den Sachverhalt zu klären.