Der AFD-Vortrag zum Thema „Remigration“ im Schluefweg in Kloten: der Mann, der sie einlud und seine nutzlosen Behauptungen der Unschuld sowie das ideologische Gewirr, aus dem der Vortrag entstand.
Gastbeitrag
Ein regnerischer Abend mitten in der Vorweihnachtszeit. Im Restaurant 83nullzwei treffen sich bekannte Rechtsextreme mit unbekannten Rechtsextremen, um einem Vortrag über Massendeportationen zuzuhören. Das Restaurant gehört zum Stadion des EHC Kloten, ein Eishockeyclub, der für seine stabile und weltoffene Fankurve bekannt ist. Doch die Stadt hat das Gastrokonzept einem reaktionären Netzwerker überlassen, der sich als gemässigter Freund der freien Meinungsäusserung tarnt. Remko Leimbach, der 2023 auf der Schwurbelliste „Aufrecht“ erfolglos für den Nationalrat kandidierte, lädt seit Jahren eine Reihe von einschlägigen Leuten zu sich in den Schluefweg ein. Da ist einerseits die Veranstaltungsreihe „Dinner mit Input“, die eindeutig der Verschwörungsideologischen Szene zuzuordnen ist1. Diese organisiert er mit seinem Business-Partner Mirco Pin. Am 13.Dezember 2024 konnte ausserdem der einschlägige „Comedian“ Nikolai Binner2 im Stadtsaal auftreten, gegen den in Deutschland ein Verfahren wegen Verharmlosung des Holocaust läuft. Wenn an einem Abend aber gerade nichts derartiges abgehalten wird, verleiht er das Restaurant offenbar unter der Hand an noch extremere Neonazis. Auf Anfrage von „Correctiv“ gab er an, er hätte „keine Ahnung“, warum das rechtsradikale Event im Dezember ausgerechnet bei ihm stattgefunden habe.
Anti-WHO Protest in Weil am Rhein 21.10.2023
Es ist kein Demoumzug an diesem Tag, durch den angekündigten Gegenprotest wird es eine stehende Veranstaltung. Etwa vierhundert Leute treffen sich und lauschen stundenlang Vorträgen und atonalen musikalischen Darbietungen. Eine kleine Bühne steht auf einer matschigen Wiese vor dem Einkaufszentrum direkt hinter der Schweizer Grenze. Ausserhalb der Wiese drängt sich der Gegenprotest, der im Lauf der Veranstaltung anwächst, bis etwa gleich viele Menschen auf der Wiese wie davor sind.
Nach Christina Baum, Mitglied der AfD aus Deutschland, die auf der Bühne den Bevölkerungsaustausch „keine Verschwörungstheorie sondern Realität“ und „ein Experiment der Eliten mit der Europäischen Bevölkerung“ nennt, redet Remko Leimbach. Inhaltlich bleibt Leimbach, wie immer, vage. Er meint, dass seine Vorredner*innen alle so unglaublich informiert seien, dass er nicht viel beizutragen hätte. Er spricht von „Internationalen Organisationen“, die „uns das Denken abnehmen wollen“ und nennt den Gegenprotest der Antifa „Menschen, die das gut finden“. Was die WHO tue, gehe „in den üblen Totalitarismus hinein“, den gelte es, zu bekämpfen. Wie man die WHO „bekämpfen“ sollte, da seien sich die Leute nicht einig. Mit keinem Wort distanziert er sich von den Inhalten, die direkt vor ihm auf der Bühne ausgesprochen wurden.
Auf der Bühne geht es an diesem Tag nicht nur um Corona: Die so verhassten Massnahmen gegen die Corona-Pandemie sind zu dem Zeitpunkt mehr als anderthalb Jahre Geschichte. Selbst die verbitterten Männer und Frauen hier auf dem Platz spüren: es braucht vielleicht ein neues Thema. So versuchen einige, wie der Organisator der Demonstration, Mario della Giacoma, den Widerstand gegen die World Health Organization auszurichten. Andere Besucher*innen haben weitergehende Ideen: Ein kleines Grüppchen bekannter Neonazis aus Deutschland und der Schweiz steht im Publikum. Sie sind sicher auch für Christina Baum gekommen, die selbst für die AfD als radikal gilt – aber sie haben auch eine andere Agenda, die sie seit Beginn der Massenproteste gegen Corona verfolgen. Sie wollen diese neuen Wutbürger*innen für sich und ihre Ideen für ein „monoethnisches Europa“ (Zitat Christina Baum) mobilisieren.
Das sind Tobias Lingg, späterer Mitorganisator des Abends in Kloten, und Lars Brändlin, der spätere Schleusepunktbetreuer, zusammen mit Wilhelm Wyss, ehemaliges Mitglied der JSVP, extremer Putin-Fan und Vorstand des Vereins „Jugend für Ehe und Familie“.



Wie diese verdorbene Saat aufgegangen ist, konnte man am Vortrag am 14.12.2024 im Schluefweg in Kloten gut sehen. Remko Leimbach selbst ist an dem Tag, anders als in Weil am Rhein, nicht anwesend, als auf der Bühne das alte Märchen des Bevölkerungsaustauschs bemüht wird. Doch dass er inhaltlich mit diesen Aussagen eine Bühne teilt, hat er schon bewiesen. Im Publikum befinden sich dafür einige, die den Weg zu den Rassist*innen über die Esoterik oder die Corona-Massnahmen gefunden haben.
ESOTERISCH, QUERULANT
Der auffälligste Teilnehmer in dieser Hinsicht ist sicher Martin Hofmann, der in Böbikon (AG) lebt, und dort bei laube-solar als Solarinstallateur arbeitet. Dieser hatte sich von 2021 bis 2023 als Anführer der „Männer WG“ aufgespielt, einem amateurhaften Sicherheitsdienst, bestehend aus Männern mittleren Alters der damaligen Corona-Protestbewegung. Zu dieser Zeit trat er als bodenständiger Schweizer Aktivist im Holzfällerhemd auf – dieses hat er nun gegen eine North Face-Jacke eingetauscht. Der Wandel hin zur neurechten Ideologie hat er nicht nur in der Kleiderwahl sondern auch im Internet vollzogen, wo er auf Twitter (X) unter seinem alten Pseudonym „Martin von Altdorf“ Posts der Identitären Bewegung wiedergibt und gegen Geflüchtete und LGBTQ-Menschen hetzt3.


Im starken Kontrast dazu steht Heike Müller (46), eine Tierkommunikatorin aus Winterthur: Sie scheint total unauffällig, abgesehen von ihrer Onlinepräsenz, wo sie „Keltisches Reiki“ für Hunde anbietet. Reiki (Handauflegen) ist eine widerlegte Pseudo-Medizin, die nur durch den Placebo-Effekt eine gewisse Wirksamkeit haben kann. „Keltisches Reiki“ ist eine Nischenform dieses Handauflegens, welche gewisse japanische Elemente des „originalen Reiki“ durch keltische Runen ersetzt. So werden die Inhalte wohl für Runenfans und selbstbezeichnete Heid*innen attraktiver.

Bemerkenswert ist Alexandra Koller (49), eine Akupunkteurin, die zusammen mit ihrem Mann, Roger Jenni (44), eine Mini-Australian-Shepherd Zucht in Schöftland führt. Ihr Mann war am Vortrag anwesend, war am Schleusepunkt aber nicht zu sehen, was vermuten lässt, dass er wohl enger in die Organisation eingebunden war. Über den geschäftlichen Instagram-Account „mini_aussie_tree_of_life“, der die Zucht bewirbt, folgen sie der ganzen Bandbreite der neuen Rechten in der Schweiz: Mitgliedern der Jungen Tat, Mitgliedern der Jungen Alternative und zahlreichen neurechten Organisationen aus ganz Europa. Normalerweise versuchen Menschen, ihre braune Gesinnung vor allem bei der Arbeit zu verstecken – hier ist das nicht so.
Koller selbst betreibt auf dem Hof in Schöftland und an einem zweiten Standort im Yogacorner in Schlieren eine TCM-Praxis mit Fokus auf Geburtshilfe. Es stellt sich die Frage, ob eine Frau mit einem derart reaktionären Weltbild in einer medizinischen Machtposition über Gebärende sein sollte. Jenni, ihr Mann, betreibt auf dem gemeinsamen Hof eine „Naturheilpraxis Jenni“ in der er „Traditionelle Europäische Medizin“ anbietet. Offenbar handelt es sich beim Gedankengut des Paars um eine Mischung aus Esoterik, alternativer Medizin und Rassismus.


So war denn auch der Altersdurchschnitt am Vortrag deutlich höher, als man dies von einer „Jugendbewegung“ vielleicht erwarten würde. Dass es eine hohe ideologische Einheit zwischen diesen älteren Esoteriker*innen und den jüngeren Neonazis gibt, scheint aber klar.
DAS KANONENFUTTER
Vier mutmassliche Mitglieder eines rechtsextremen Kampfsportgrüppchens reisten gemeinsam an, von denen wir hier nur einen, den augenscheinlichen Anstifter Yanik Steuble, Mitglied der JSVP Schaffhausen, hervorheben. Yanik lebt in Thayngen und betreibt in seiner Freizeit Schwingen und Gewichtstraining. Der gelernte Landmaschinenmechaniker mit Jahrgang 2006 liess sich 2024 von der JSVP Schaffhausen zur Wahl aufstellen. Bis jetzt wurde von der Sektion noch kein offizieller Ausschluss bekanntgegeben. Ob seinen Parteikolleg*innen wirklich nicht aufgefallen ist, dass er nebenbei ziemlich offensichtlich auf Social Media mit einer Hobby-Strassenkampftruppe mit rechtsextremen Inhalten unterwegs war, ist schwer vorstellbar. Das Ostschweizer Grüppchen hat nur auf TikTok eine digitale Präsenz: Die Selbstbeschreibung „Boxen, MMA, Ringen usw. Raum SH und Umgebung, Talahon Frei“ zeigt den rassistischen Grundgedanken. In ihren wenigen Posts stellen sie sich als direkte Gegner der JUSO Schaffhausen dar, posieren mit „Swiss Boys“ und „Eidgenosse“ T-Shirts und zeigen Ausschnitte aus ihren Trainings. Trotz der wenigen Mitglieder und der stumpfen Inhalte kann man das Grüppchen nicht komplett ignorieren. Auch wenn hier sicher nicht die nächsten grossen Gedankensprünge der neuen Rechten entwickelt werden, so ist der starke Bezug auf Strassengewalt in ihren Inhalten doch besorgniserregend.


Letztlich wollen wir noch einen Blick auf den Teilnehmer mit den wirrsten Ansichten werfen: Manuel Corchias Bruder, Simon Corchia. Manuel, der Mitorganisator des Vortrags, fällt schon seit Jahren mit rechtsextremen Ansichten unangenehm und penetrant auf. Ganz anders sein Bruder: Dieser hat sich inhaltlich bis jetzt politisch zurückgehalten. Stattdessen konzentrierte er sich darauf, seiner Schauspielkarriere nachzugehen und auf TikTok und Instagram Menschen zu einer rein tierischen Ernährung zu animieren. Diese Ernährungsform ist mittlerweile unter Reaktionären auf dem amerikanischen Kontinent weit verbreitet, meistens in Kombination mit der Idee, unpasteurisierte Milch zu kaufen und zu trinken. Trotz offensichtlicher Probleme wie Durchfall, Cholesterinablagerungen unter der Haut der Handflächen, Schwermetallbelastung und spätere Krebserkrankungen durch Vitamin A-Überdosis, folgen immer mehr Menschen dieser «Diät».
Einer der grössten Werber für diese Ernährung ist der Kanadische Psychologe Jordan Peterson, der 2019 als Idol reaktionärer Männlichkeit gefeiert wurde. Die Verbindung von Simon zu zumindest fragwürdigen Ideen war also naheliegend, jetzt ist aber klar, dass er wie sein Bruder zutiefst rassistisch ist.
Auch wenn es so etwas wie eine Kontaktschuld nicht gibt, muss man sich zumindest fragen, warum aus dieser Familie beide Söhne und ein Onkel (Lukas Meier, der in Hagenbuch wohnt und seinem Neffen seit Jahren einen Neonazi-Trainings- und Organisationsraum zur Verfügung stellt) dieser Ideologie verfallen sind.

WAS NUN?
Trotz eines Sammelsuriums an komischen Gestalten und wirren Ideen ist klar, dass sich hier ein ideologischer roter Faden durchzieht: Eine Ablehnung der beobachtbaren Realität und ein rassistischer Wahn, der Massendeportationen fordert. Remko Leimbach kann gerne gegenüber Journalist*innen behaupten, dass er von nichts wusste, doch steht er knietief in dem rechtsesoterischen Sumpf, aus dem dieser Vortrag hervorgegangen ist. Er wird weiterhin mit seinen opulenten Dinner-Events Geld scheffeln und in Kloten einen fruchtbaren Boden für genau diese widerwärtigen Inhalte schaffen. Aus dem von ihm geschürten Klima werden er und seine Geschäftspartner*innen zusätzlich noch mehr Geld erschwindeln: So berichten Anwohner*innen in Kloten von unseriösen Angeboten von Goldverkauf mit der Adresse des Schluefwegs, die immer wieder in ihre Briefkasten gesteckt werden. Da Leimbach vergangenes Jahr den bekannten deutschen Gold-Schwindler Markus Krall zu einem Vortrag über Krisen und Wirtschaft zu sich eingeladen hat, überrascht das wenig. Wir raten vom Goldkauf (sowie vom Besuch in Leimbachs Restaurants) generell ab.
Gastartikel
Quelle Weil am Rhein:
https://www.youtube.com/live/tXVa4NxQr0Y
Quelle Heike Müller:
https://celticreiki.wixsite.com/celtic-wolf/was-ist-celtic-reiki
- https://www.republik.ch/2025/01/31/am-tisch-mit-neonazis-querdenkern-afd-und-der-jungen-svp ↩︎
- Nikolai Binner https://weltwoche.ch/daily/indirektes-witz-verbot-fuer-nikolai-binner-mehrere-corona-kritiker-erhalten-anzeigen-fuehrt-die-staatsanwaltschaft-ein-einschuechterungsmanoever-durch ↩︎
- https://www.megafon.ch/aktuelles/bomben-holocaust-und-physiognomie-wer-ist-der-swiss-mens-club-of-freedom/ und https://barrikade.info/Die-Schutzstaffel-der-Freiheitstrychler-Zurich-08-01-22-5004 und https://barrikade.info/article/4913 ↩︎