Infosperber. Am Samstag empfangen Neonazis aus der Schweiz Vertreter von insgesamt fünf rechtsextremen Organisationen aus dem Ausland.
Die «Alternative für Deutschland» (AfD), «Die Stimme» aus Österreich, das «Alt-Right Movement» aus den USA, «CasaPound» aus Italien und «Mi Hazànk» aus Ungarn: Vertreter dieser ultra-rechten Organisationen sind den Einladungen der «Partei National Orientierter Schweizer» (PNOS) und von «Résistance Helvétique» (RH) gefolgt. Sie alle sprechen heute an Versammlungen in Oensingen und Aigle.
Die zwei Anlässe zeigen, was seit längerem zu beobachten ist: Die Schweizer Neonazi-Szene setzt zunehmend auf internationale Vernetzung. Das sind die ausländischen Redner der heutigen Veranstaltungen:
US-Amerikanischer Szene-«Star»
Richard B. Spencer ist nicht nur in der rechten Szene in den USA äusserst beliebt. Er prägte den Begriff der US-amerikanischen «Alt-Right»-Bewegung und ist gleichzeitig eine ihrer Führungsfiguren. Spencer setzt sich für einen Einwanderungsstopp und für die angeblich unterdrückte weisse Mehrheitsbevölkerung ein. Er will die Vereinigten Staaten in ein arisches Land verwandeln. Dazu soll das Land «friedlich ethnisch gesäubert» werden. Afroamerikaner, Latinos und Juden sollen entfernt werden. Dies auch, weil sie einen geringeren Intelligenzquotienten als die weisse Bevölkerung und eine genetische Veranlagung zu Kriminalität hätten.
Spencer ist einer der Hintermänner der Demonstrationen in Charlottesville vom Sommer 2017, die als grösstes Event der US-amerikanischen Rechtsextremisten in den letzten Jahrzehnten gelten. Damals liefen Ku-Klux-Klan-Mitglieder, Neonazis und weisse Nationalisten mit Fackeln bewaffnet durch die Strassen und riefen rassistische Parolen. Schliesslich fuhr ein Neonazi mit einem Auto in eine Gruppe Gegendemonstranten und tötete eine junge Frau.
Seit 2011 ist Spencer Präsident der Denkfabrik «National Policy Institute», welche das Bewusstsein der weissen US-Amerikaner anheben und ihre biologische und kulturelle Kontinuität sicherstellen will. 2014 versuchte er, eine Konferenz der Denkfabrik in Ungarn abzuhalten. Spencer wurde festgenommen, drei Tage inhaftiert und anschliessend ausgewiesen.
Ehemaliger AfD-Scharfmacher
Lutz Urbanczyk war einst Mitglied der CDU, bevor er zur AfD Berlin wechselte. Inzwischen ist er aus der Partei ausgetreten, auch wenn er auf dem PNOS-Flyer als Mitglied bezeichnet wird. Urbanczyk reiste bereits im Jahr 2017 in die Schweiz, um an einem Parteitag der PNOS zu sprechen. Damals wünschte er den «Patriotinnen und Patrioten, dass sie genauso schlagfertig wie wir werden». Auch die AfD habe einst mit einem «kleinen verkrüppelten Haufen angefangen». Um zu wachsen, müsse man sich aber auch auf der Strasse zeigen.
Als der PNOS-Parteitag 2017 von Demonstranten gestört wird, sagt Urbanczyk im Nachhinein: «Ich kann euch bloss bewundern; wie schnell die junge Generation da raus gefegt ist. Da habe ich Hochachtung, dass ihr gleich mal rausgeht und sagt, so kommt her. Du willst die grosse Klappe haben, dann gibt es was auf die Fresse.»
Urbanczyk sprach an Demonstrationen von einschlägigen Organisatoren in den Niederlanden und in Deutschland. An einem «Merkel muss weg-Aufmarsch» führte er zum Beispiel den Sprech-Chor «Deutschland erwache» an. Die Losung ist Teil des verbotenen «Sturmlieds» der Sturmabteilung (SA) der NSDAP. Die Staatsanwaltschaft ermittelte, stellte das Verfahren aber schliesslich ein, da sie bei der Demonstration keinen rechtsextremen Zusammenhang festgestellt habe.
An einer Demonstration im niedersächsischen Peine vom Februar 2018, sprach Urbanczyk von den «Ratten da drüben» und meinte damit die Gegendemonstranten. Dann schickte er bewundernde Grüsse nach Cottbus: «Cottbus mach weiter so, schmeisst das Pack raus». Urbanczyk bezeichnet Flüchtlinge als «goldene Fachkräfte» und schwadroniert vom Untergang der deutschen Bevölkerung.
Zu extrem für die FPÖ
An der PNOS-Veranstaltung in Oensingen wird auch Markus Ripfl von der österreichischen Partei «Die Stimme» sprechen. Ripfl hatte bereits als Minderjähriger Kontakt zu Neonazis. Es gibt Fotos von ihm, die ihn als 16-jährigen beim Zeigen des verbotenen Kühnengrusses oder beim Posieren vor einer Keltenkreuzfahne zeigen. Unter anderem war er Mitglied der äusserst rechten «Wiener akademischen Burschenschaft Olympia», die zum Beispiel den Holocaustleugner David Irving zu sich einlud.
Ripfl hat Kontakt zu österreichischen Neonazis und Hooligans, gilt in Österreich schon lange als rechtsradikal – und war FPÖ-Gemeinderat in Orth. Aber der junge Politiker fiel immer wieder mit rechtsradikalen Aktionen auf. Als er schliesslich ein Lied der Neonazi-Gruppe «Division Germania» auf Youtube likte, war das Mass für die FPÖ voll. Sie schmiss ihn Anfang 2018 aus der Partei. Ripfl sah sich als Opfer und erklärte, er habe auf einer Party sein Tablet unbeaufsichtigt liegen lassen.
Auf einem drei Wochen alten Youtube-Video posiert Ripfl vor einer Fahne der «European Brotherhood», einer extrem rechten Bekleidungsmarke, die sich als Projekt von europäischen Nationalisten präsentiert, welche die Grenzen zwischen den europäischen Nationalisten überwinden wollen.
Verbindungen nach Ungarn
Von Pàl Peter Walter, dem letzten ausländischen Redner den die PNOS eingeladen hat, ist wenig bekannt. Auf dem PNOS-Flyer wird seine Funktion mit «Verwalter der Organisationen im Ausland, Mi Hazànk» angegeben. Mi Hazànk heisst übersetzt «Unser Heimatland» und ist eine Splitterpartei der rechtsradikalen «Jobbik»-Partei in Ungarn.
Jobbik bezeichnete sich in ihrem Gründungsmanifest als «werteorientierte, konservative, aber radikal agierende, christliche und patriotische Partei». Ihr werden unter anderem Antisemitismus, Antiziganismus und Homophobie angelastet. Seit einiger Zeit versucht sich Jobbik vom Neonazi-Image zu befreien und sich als Volkspartei zu etablieren. Dem extremen Flügel passte das nicht, es kam zum Bruch. Die radikalsten Mitglieder gründeten daraufhin die Partei «Mi Hazànk».
«Mi Hazànk» will die christliche und ungarische Kultur verteidigen, und den «Konflikt zwischen Ungarn und Roma» angehen. Es gebe immer weniger Ungarn, während sich die Zahl der Zigeuner verdoppelt habe, erklärte Làszlo Toroczkai, ehemaliger Vizevorsitzender von Jobbik und treibende Kraft hinter «Mi Hazànk» in einer Rede. Im Übrigen kämpft die Partei gegen die «Islamisierung in Ungarn» und will das Land zu einer «weissen Insel» machen.
Neofaschisten aus Italien
Im Gegensatz zur PNOS, haben die Westschweizer Rechtsradikalen von «Résistance Helvétique» nicht angegeben, welche Redner an ihrem Anlass sprechen werden. Klar ist aber, wen sie eingeladen haben: Eine Sektion der italienischen Neofaschisten von «CasaPound».
«CasaPound» ist eine italienische Bewegung und Partei, die sich als nationalistisch und sozial versteht. Ihr Name bezieht sich auf den antisemitischen und rassistischen Schriftsteller Ezra Pound, einem glühenden Verehrer von Benito Mussolini. Die Bewegung entstand im Jahr 2003, als Aktivisten von verschiedenen ultra-rechten Organisationen ein Gebäude besetzten – um den von Linken besetzten Kulturzentren etwas entgegenzusetzen. Die neofaschistische Bewegung bedient sich inhaltlich auch bei der globalisierungskritischen «Disobbedienti»-Bewegung und hat es geschafft, zu den bekanntesten und aktivsten Gruppen des italienischen Faschismus der letzten zwei Jahrzehnte zu werden.
Die Mitglieder der Bewegung nennen sich selbst «Faschisten des dritten Jahrtausends». Sie haben den Kulturkampf auf ihre Fahnen geschrieben, etablieren eigene Bildungs- und Kulturzentren und bedienen sich fleissig an den Symbolen der 68-Bewegung. Zu ihren Zielen gehört bezahlbarer Wohnraum, die Deutungshoheit im Kulturkampf und der Niedergang des Kapitalismus. Gewürzt mit antisemitischen Verschwörungstheorien, faschistischen Parolen und einem antifeministischen Frauenbild versuchen die Mitglieder, den Faschismus als Lebensstil zu etablieren.
«CasaPound» bietet verschiedene Sport- und Sozialangebote an, beeinflusst Teile der italienischen Ultra-Bewegung, organisiert internationale rechtsradikale Kampfsport-Events und vernetzt sich mit rechtsextremen Organisationen aus dem Ausland. Die Organisation fällt immer wieder durch Gewalt gegenüber Andersdenkenden auf – im Gegensatz dazu hilft sie zum Beispiel den Opfern von Erdbeben und schafft sich so den nötigen Rückhalt in der Bevölkerung.
«CasaPound» orientiert sich am Gründungsdokument der faschistischen Italienischen Sozialrepublik der 1940er Jahre. Die Organisation hat nach eigenen Angaben rund 4000 Mitglieder. Sie hat für viele rechtsradikale Aktivisten in ganz Europa Vorbildcharakter.