SRF. Wegen des Nazi-Steins kam die Aufarbeitung der Bündner Geschichte aufs Tapet. Im Grossen Rat gab es dazu nur ein Votum.
Der Nazi-Stein auf dem Churer Friedhof Daleu: Seit SRF publik machte, dass dieses Denkmal einen nationalsozialistischen Hintergrund hat, beschäftigt das Thema die Bündner Politik. Das Monument erinnert unter anderem an deutsche Soldaten, die während des Ersten Weltkriegs in Graubünden interniert waren.
Nachdem der Churer Stadtrat «keinen Anlass für eine weitere historische Aufarbeitung» des Denkmals gesehen hatte, stand am Donnerstag die Debatte über zwei entsprechende Anträge im Kantonsparlament an. Diese wurden von der SP-Grossrätin und Historikerin Silvia Hofmann und Mitte-Grossrat und Historiker Tino Schneider eingereicht.
Keine Diskussion und ohne Gegenstimme
Einerseits ging es darum, ob und wie die Geschichte des Faschismus und des Nationalsozialismus im Kanton Graubünden aufgearbeitet werden soll. Andererseits darum, wie die Erinnerungskultur aussehen und wie das nationalsozialistische Denkmal auf dem Churer Friedhof in einen historischen Kontext gesetzt werden soll.
Bei der Auswärtssession in Klosters überwies der Grosse Rat das Geschäft, ohne darüber zu diskutieren. Dass sich das Parlament und die Regierung so einig sind, geschieht nicht häufig. Mit 99 Ja-Stimmen und ohne Gegenstimme gab das Parlament der Regierung den Auftrag, die Geschichte aufzuarbeiten – so, wie es auch die Regierung vorgeschlagen hatte.
Nur Tino Schneider, der den Auftrag einreichte, sagte etwas in der «Debatte», nämlich, dass man sich bislang zu wenig mit dem Nationalsozialismus und Faschismus in Graubünden auseinandergesetzt habe: «Es ist darum begrüssenswert, dass die Regierung bereit ist, den vorliegenden Auftrag entgegenzunehmen.» Die Bündner Regierung habe also genau richtig reagiert, so Tino Schneider. Und offenbar eben auch der Rest des Grossen Rats.
Damit gibt die Bündner Politik grünes Licht, um die blinden Flecken der Bündner Geschichte während des Nationalsozialismus und Faschismus aufzuarbeiten. In einem ersten Schritt sollen Fachleute den aktuellen Forschungsstand sichten und Forschungslücken identifizieren. Der geplante Untersuchungszeitraum: Die Zeit der Zwischenkriegsjahre bis einige Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg. Anhand dieser Ergebnisse will die Regierung dann ein oder mehrere Forschungsprojekt in Auftrag geben und finanzieren.
Die Sicht von Regierung und Stadtrat
Box zuklappen
Der Kanton Graubünden will sich vertieft mit der Vergangenheit auseinandersetzen. Das geht aus der Antworten auf die beiden Vorstösse von Mitte-Grossrat und Historiker Tino Schneider und SP-Grossrätin und Historikerin Silvia Hofmann hervor. «Die Regierung begrüsst Forschungsinitiativen, welche zu einem vertieften historischen Verständnis der Zeit rund um die beiden Weltkriege in Graubünden sowie der damaligen gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse beitragen», schreibt die Bündner Regierung.
Zuerst soll aber ein Rechercheprojekt in Auftrag gegeben werden, um «eine umfassende Bibliografie relevanter Forschungsliteratur zu erstellen». Damit ist Silvia Hofmann zufrieden. Als Historikerin freue sie sich über den Willen der Bündner Regierung, mehr Licht in die Geschichte vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg zu bringen.
Ja zur Hinweistafel, aber keine weitere Aufarbeitung
Anders sieht das der Churer Stadtrat. Zwar ist er auf die Forderung von Mitte-Gemeinderat Tino Schneider eingegangen und stattet das Monument mit einer Hinweistafel aus. Die Geschichte des Denkmals aber soll nicht weiter aufgearbeitet werden. Dies sei bereits umfassend erfolgt, heisst es im Bericht an den Gemeinderat.
Weitere Forschungsarbeiten würden keine neuen Erkenntnisse liefern. Der Stadtrat sehe darum keinen Anlass für eine weitere historische Aufarbeitung, heisst es weiter.