Die Wochnzeitung. Stefan Gärtner weiss, was ein Wägitaler SVPler meint
Von Stefan Gärtner
Riesenaufregung im Kanton Schwyz, nachdem Manuel Züger, der Vizepräsident der SVP Wägital, via Facebook verbreitet hat: «Das einzige was wieder nach Deutschland gehört ist ein neuer Onkel Dolf»; Anlass war ein Artikel der «Berliner Morgenpost» zum Thema «Der Islam gehört zu Deutschland». Züger, auf dessen Facebook-Profil sich laut Nau.ch ein Führerbild samt Führerzitat findet («Was für ein Glück für die Regierenden, dass die Menschen nicht denken!»), wehrt sich gegen seinen von der Kantonalpartei angestrengten Parteiausschluss: Er habe, meldet die örtliche SVP, glaubhaft versichert, mit «Dolf» nicht Hitler, sondern den (linksliberalen) Politikwissenschaftler Dolf Sternberger gemeint zu haben. Die NSVP Wägital steht wie ein Waggon Kruppstahl hinter Züger: Sein Facebook-Kommentar sei «für politisch motivierte Störmanöver und mediale Hetze missbraucht worden».
Es bleibt dringend zu hoffen, dass dieser aufrechte Demokrat der Schweizer Politik erhalten bleibt, und sicherheitshalber seien an dieser Stelle weitere lustige Missverständnisse schon einmal ausgeräumt.
Am 30. Januar 2020 twittert Züger: «Deutschland und die Schweiz müssen wieder judenrein werden.» Nach Protesten aus Partei und Öffentlichkeit erklärt er, er habe nicht die Vernichtung der jüdischen Rasse in Europa gemeint, sondern der Hoffnung Ausdruck verliehen, die zuletzt etwas schmuddelig gewordene abendländische Heimat wieder so sauber zu sehen, «wie es in einer Judenschule üblich ist». Die SVP Wägital stellt sich hinter ihn und bietet an, am Ort eine Judenschule einzurichten und Züger dort putzen zu lassen, «falls denn überhaupt nötig».
Am 20. April schreibt Züger auf Facebook: «Das einzigste was Deutschland braucht ist ein neues Dachau!» Die SVP Wägital verteidigt Züger: Er sei nicht gut in Kommasetzung; der Post habe lauten sollen: «Das einzigste, was Deutschland braucht, ist ein neues Dach, au!» Deutschland habe nämlich einen Dachschaden, wenn es überall Windräder hinpflanze, die für so manchen stolzen deutschen Adler ein grosses «Au!» bedeuteten.
Am 8. Mai postet Züger auf Instagram das berühmte Foto von den Sowjetsoldaten, wie sie überm Reichstag die Siegesfahne hissen, Bildunterschrift: «Schade!» Die SVP Wägital stellt sich schützend vor ihren besten Mann und schreibt nach einer kurzen Google-Recherche, es sei allgemein bekannt, dass das Foto nachträglich inszeniert worden sei. Züger habe «in Zeiten von Fake News (Klimawandel usw.)» lediglich sein Bedauern über diesen Umstand zur Kenntnis bringen wollen.
Am 1. September präzisiert Züger seine Forderung aus dem Vorjahr: «Deutschland braucht einen neuen Adolf!» Noch vor den üblichen Protesten springt Adolf Muschg dem Schwyzer Provokateur bei: Er habe gewisslich ihn, Adolf Muschg, gemeint, den es in neu aber gar nicht benötige, er sei nämmli ganz der Alte und stehe dem deutschen Buchmarkt gern zur Verfügung. Die SVP Wägital verwahrt sich gegen «Hetze» und «literarisch gemeinte Störmanöver»: «Unser verehrter Parteikollege Züger versichert glaubhaft, von Adolf Muschg noch nie gehört zu haben.»
Am 14. Oktober twittert Züger ein Bild des Generalfeldmarschalls Rommel: «Wahre Helden sterben nie!» Die SVP Wägital verweist routiniert darauf, dass der «Wüstenfuchs» im Widerstand gewesen sei, «das sind wir von der SVP doch auch!». Übrigens werde dem Parteifreund der «Rommel um seine Person» langsam zu viel, deshalb dieser «ironische Post».
Am 31. Dezember stellt Züger das Bild einer Wehrmachtshaubitze auf seine Facebook-Seite: «Ab 23.45 Uhr wird jetzt zurückgeschossen!» Die SVP Wägital distanziert sich «in aller Entschiedenheit»: In Wägital werde ab genau Mitternacht zurückgeschossen, schliesslich sei man in der akkuraten Schweiz und nicht in irgendeinem verlausten Ausland.
Stefan Gärtner (BRD) war Redaktor bei der «Titanic» und ist heute Schriftsteller und «linksradikaler Satiriker» («Die Zeit»). An dieser Stelle nimmt er jede zweite Woche das Geschehen in der Schweiz unter die Lupe.