20 Minuten. Ende Mai findet im Zürcher Volkshaus ein rechtsesoterischer Anlass statt. Eine Gruppe von Aktivistinnen und Aktivisten droht mit einer «Gegenmobilisierung», sollte der Event nicht abgesagt werden.
Darum gehts
- Ende Mai soll im Zürcher Volkshaus ein umstrittener Kongress stattfinden.
- Zahlreiche Exponenten aus der esoterischen und verschwörungstheoretischen Szene sind angekündigt.
- Nun formiert sich Widerstand: Eine Gruppe von Aktivistinnen und Aktivisten fordert eine Auflösung des Mietvertrags.
«Keine Bühne für Antisemit:innen! Kein Geschäft mit Sekten-Gurus und braunen Esoteriker:innen»: Eine Gruppe von linken Aktivistinnen und Aktivisten hat eine Petition gestartet, die vom Stiftungsrat des Volkshauses verlangt, den Mietvertrag für einen rechtsesoterischen Anlass Ende Mai aufzulösen. Andernfalls, so droht die Gruppe namens «Reclaim Volkshaus», würden sie eine «Gegenmobilisierung» aufgleisen.
Der Kongress mit dem Namen «Vision des Guten und das Manifest der neuen Erde» ist auf den 27. und 28 Mai 2023 im Theatersaal angesetzt. Unter anderem wirbt auch die «neue Uriella», der Toggenburger Esoterik-Star Christina von Dreien, für den Anlass. Auch der umstrittene Historiker und Verschwörungstheoretiker Daniele Ganser sowie weitere bekannte Exponenten aus der esoterischen Szene sind angekündigt. Ein Ticket kostet mindestens 189 Franken, ein VIP-Gönnerticket schlägt mit 777 Franken zu Buche.
«Hochproblematische esoterische Ansätze»
Unter der Bezeichnung «Das Manifest der neuen Erde» wird ein alternatives Gesellschafts- und Staatskonzept präsentiert, das nach dem erwarteten Zusammenbruch der sozialen und politischen Ordnung umgesetzt werden soll. So werden etwa die Regierungen der Welt aufgerufen zurückzutreten. Stattdessen sollen sogenannte Weisenräte den neuen Staat erschaffen. Zum «Rat der Weisen» gehören bekannte Vertretende von Esoterik, alternativer Spiritualität sowie Verschwörungstheorien, wie auch die Evangelische Informationsstelle Relinfo.ch ausführt.
Neben Daniele Ganser und Christina von Dreien gehört etwa auch Ricardo Leppe, Vertreter der sogenannten rechtsesoterischen und antisemitischen «Germanischen Heilkunde» sowie der völkischen Anastasia-Bewegung zum Weisenrat. Für die Schweizer Fachstelle für Sektenfragen «Infosekta» vertritt die Bewegung «hochproblematische esoterische Ansätze».
Revision der Vermietungskriterien verlangt
Die Gruppe «Reclaim Volkshaus» fordert die sofortige Auflösung des Mietvertrags. Zudem brauche es dringend eine grundsätzliche Revision der Vermietungskriterien. Denn obwohl im Volkshaus-Leitbild stehe, dass man sich eine Absage «bei Veranstaltungen, die gegen die Grundprinzipien der Toleranz und des Respekts verstossen», vorhalte, wolle der Vorstand nicht einschreiten.
«Das Volkshaus darf nicht zum Steigbügelhalter für antisemitische, rassistische und antidemokratische Propagandistinnen und Propagandisten werden», schliessen die Aktivistinnen und Aktivisten. Das Verschwörungsmilieu sei in den letzten Jahren bedrohlich gewachsen. «Es wäre nichts als verantwortungslos, diesen Kräften einen zusätzlichen und derart symbolträchtigen Ort für die Vernetzung und Organisierung zu überlassen.»
«Werden die Veranstaltung genau beobachten»
Auf Anfrage von 20 Minuten schreibt Kaspar Bütikhofer, Präsident des Volkshaus-Stiftungsrates, dass sich das Volkshaus als Ort verstehe, der allen offen stehe. Die Volkshausstiftung sei sich seiner Verantwortung als Vermieterin prestigeträchtiger Lokalitäten bewusst und überprüfe regelmässig fragwürdige Veranstaltungen. «Die Betriebskommission hat sich eingehend mit ‹Die Vision des Guten› vom 27. Mai und insbesondere mit dem Auftritt von Daniele Ganser auseinandergesetzt.» Die Kommission sei dem in jüngster Zeit vor allem in Deutschland gegen Ganser erhobenen Vorwurf des Antisemitismus nachgegangen.
«Dazu haben wir den Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund SIG kontaktiert, der sich kritisch differenziert zu Ganser äusserte, aber zugleich bestätigte: ‹Zu Daniele Ganser haben wir bisher keine antisemitischen Vorfälle registriert›», so Bütikhofer. Die Volkshausstiftung teile die Inhalte der Veranstaltung in keiner Weise und lehne Verschwörungstheorien aller Art dezidiert ab. «Dennoch gewichten wir die Meinungsäusserungsfreiheit in diesem Fall als höher. Wir werden jedoch die Veranstaltung genau beobachten.»