Linke Demonstranten vor Gericht

St. Galler Tagblatt vom 03.03.2012

Für einen Teil der jungen Demonstranten, die im September 2011 in Diepoldsau gegen ein Treffen Rechtsradikaler demonstrierten, stehen Mitte März Gerichtstermine an. Gegen gewalttätige Rechtsextreme wird noch ermittelt.

MARCO KAMBER

Am 10. September 2011 herrschte Unruhe in Diepoldsau. Über 80 Polizisten in Kampfmontur, heulende Einsatzwagen und rund 70 Demonstrierende aus dem politisch links-grünen Lager prägten die Szene am Samstagmorgen. Grund dafür war ein auf diesen Morgen angesetztes Treffen der «Europäischen Aktion» (EA) – einer europaweit gestreuten rechtsextremen losen Gruppe, die unter der Fuchtel des Holocaust-Leugners Bernhard Schaub agiert. Die linken Demonstranten sowie die Mahnwachen der Grünen Vorarlberg und Rheintal wollten mit ihrer Präsenz die Zusammenkunft der EA verhindern.

Wie oft üblich für Treffen rechtsextremer Gruppierungen, war die Ortsangabe aber eine Finte: Diepoldsau war nicht Schauplatz der Zusammenkunft, sondern lediglich «Checkpoint», an welchem Anhänger der EA von «Ordnern» – einheitlich in weisse Hemden gekleidet, meist kahlgeschoren – am Strassenrand an den Treffpunkt in Einsiedeln gelotst wurden. Zu Gewalt und Sachbeschädigungen der Linken kam es in Diepoldsau nicht. Weil sie allerdings, teilweise vermummt, an der unbewilligten Demonstration teilnahmen, wurden sie auf dem Rheinvorland von der Kapo St. Gallen kontrolliert und vorübergehend festgenommen.

43 Personen angeklagt

Nach dem 10. September begannen dann die Verfahren gegen 43 Personen aus der ganzen Schweiz. Im November erhielten sie Post vom Untersuchungsamt Altstätten – eine Verurteilung wegen Hausfriedensbruchs zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen, weil sie über einen Zaun auf ein Firmengelände geklettert waren. «Das beginnt bei einem Tagessatz von 30 Franken, kann aber auch höher sein – je nach wirtschaftlicher Situation der Angeklagten», erklärt Urs Rinderer, der zuständige Staatsanwalt. Hinzu kommen 1000 Franken Busse für die Teilnahme an der unbewilligten Demonstration und weitere 1000 Franken für jene, die vermummt waren.

Linke ziehen Rekurse zurück

Die Hälfte der Strafen sind laut Rinderer inzwischen rechtskräftig. Einige Demonstranten aber waren mit dem Entscheid des Untersuchungsamts nicht einverstanden und legten Rekurs ein. Für sie stehen seit Anfang Woche Gerichtstermine fest, welche ab dem 19. März in Rheineck ausgetragen werden.

Bis Redaktionsschluss waren noch deren 20 auf der Terminliste des Kreisgerichts. «Es werden aber laufend weniger», sagt Staatsanwalt Rinderer.

Aus dem Umfeld der linken Szene ist unserer Redaktion bekannt, dass möglicherweise weitere Angeklagte ihren Rekurs zurückziehen und somit die vom Untersuchungsamt auferlegte Strafe akzeptieren wollen.

Mit Holzlatten attackiert

Die Gerichtsprozesse sollen dennoch zu einem Politikum heranwachsen. Dies zeigt ein aktueller Beitrag auf einer linken Internetplattform. Er fordert dazu auf, am 19. März einem der datierten Prozesse beizuwohnen. Es gehe darum ,«die verschiedenen Aspekte der Rechtsentwicklung aufzuzeigen, in einen grösseren Zusammenhang zu stellen und diesen Prozess mit unseren Inhalten zu besetzen», heisst es auf der Webseite.

Nicht alle Geschehnisse vom 10. September sind geklärt. Noch offen sind die Ermittlungen zu einem tätlichen Angriff der wenigen Anwesenden aus der rechten Szene: Der Vorarlberger Grüne Nationalratsabgeordnete Harald Walser wurde zusammen mit einer Gruppe junger Leute mit Holzlatten angegriffen und leicht verletzt. «Ich habe bei der Polizei in Widnau Anzeige gegen Unbekannt erstattet», sagt er. Bislang habe er noch nichts dazu gehört. «Wir sind am Ermitteln und hoffen, die Täterschaft noch eruieren zu können», sagt Staatsanwalt Rinderer.