20 Minuten. In der Fasnachtszeitung «Päng» steht der Satz «Arbeit macht frei». Er stand über Toren zu nationalsozialistischen Konzentrationslagern – doch nicht allen ist dies bewusst, wie eine 20-Minuten-Umfrage zeigt.
Darum gehts
- «Arbeit macht frei» steht in der diesjährigen Ausgabe der Langenthaler Fasnachtszeitung «Päng».
- Der Satz stand als Losung über den Toren von nationalsozialistischen Konzentrationslagern.
- Die «Päng»-Redaktion geht davon aus, dass die Autorin oder der Autor nicht wusste, woher der Ausdruck kommt, und ihn deshalb verwendete.
- Laut einer Umfrage von 20 Minuten wissen viele Leute nicht, was es mit dem Spruch auf sich hat.
Die Langenthaler Fasnächtlerinnen und Fasnächtler schrieben in der diesjährigen Ausgabe der Fasnachtszeitung «Päng»: «Arbeit macht frei.» Damit wollte die Redaktion eigentlich darauf hinweisen, dass die Stadt Langenthal für das neue Jahr kein Budget hat. Deshalb darf diese derzeit nur finanzieren, was es für ihr Funktionieren zwingend braucht. Da das Putzen der Strassen nach den Fasnachtskonfettis bestimmt nicht dazugehöre, müssten die Narren wohl selbst wischen, wie sie schreiben.
Das Thema ist heikel, der Satz «Arbeit macht frei» tabu, und dennoch schrieb ihn die «Päng»-Redaktion in ihrer Zeitung – zusammen mit dem N-Wort, das in der gleichen Ausgabe verwendet wird. Den Ausdruck verwendeten die Redaktorinnen und Redaktoren, als sie sich über einen Gewerbler lustig machten, der seinen Kundinnen und Kunden Ende Jahr nur Schokoküsse verteilt hatte. Da komme man sich selbst wie ein N**** vor, schreiben die Fasnächtlerinnen und Fasnächtler. Auch dieses Wort ist heute tabu.
«Für das N-Wort gibt es keine Entschuldigung»
Auf Anfrage der «Berner Zeitung» versichert die «Päng»-Redaktion, die Mitarbeitenden wüssten, dass der Ausdruck «Arbeit macht frei» tabu sei. Womöglich habe jedoch die Redaktorin oder der Redaktor die Hintergründe des Spruchs nicht gekannt. Ausserdem habe man unter Zeitdruck gelitten, die Texte seien nicht von Journalistinnen und Journalisten, sondern von freiwilligen Mitgliedern der Langenthaler Fasnachtsgesellschaft verfasst worden. Dennoch werde man in Zukunft sensibilisiert sein und mehr Wert auf die politische Korrektheit legen.
Das bedeutet der Ausdruck «Arbeit macht frei»
Der Spruch wurde dadurch bekannt, dass er als Toraufschrift in den Konzentrationslagern während des Zweiten Weltkriegs verwendet wurde. Die Worte prangten sowohl im nationalsozialistischen Konzentrationslager Auschwitz als auch in jenem in Dachau. Der Spruch wird heute mit der Zwangsarbeit, Unterwerfung, Erniedrigung und Ermordung während des Holocausts in Verbindung gesetzt und deshalb heute nicht mehr verwendet.
Giorgio Andreoli, Leiter der Berner Beratungsstelle «Gemeinsam gegen Gewalt und Rassismus» gggfon, sagt gegenüber der BZ: «Für das N-Wort gibt es keine Entschuldigung. Es gehört definitiv aus dem Vokabular gestrichen.» Was den nationalsozialistischen Ausdruck angehe, könne man heute nicht mehr klar voraussetzen, dass die Leute den Ursprung kennen würden.
«Sieht negativ aus, aber ich weiss nicht, was das bedeutet»
Wie eine Umfrage von 20 Minuten im vergangenen Jahr zeigte, ist zahlreichen jungen Menschen nicht mehr geläufig, was der Ausdruck bedeutet.
«Es sieht mega negativ aus, aber ich weiss nicht, was das bedeutet», sagte beispielsweise die 21-jährige Sinia aus Zürich. Maria (21) aus Deutschland sagte: «Es könnte heissen, dass man einfach das machen kann, worauf man richtig Bock hat. Was einem gefällt, was einem richtig Spass macht.»
Der 19-jährige Liron wusste hingegen genau, was «Arbeit macht frei» bedeutet. «Ich kenne es vor allem sehr gut, weil ich jüdisch bin. Viele meiner Familienmitglieder sind im Holocaust im Zweiten Weltkrieg ums Leben gekommen.» Es überrasche ihn nicht, dass viele nicht mehr wüssten, wofür der Spruch stand. «Ich habe das Gefühl, dass heutzutage viele Leute nicht genug ausgebildet sind», so Liron. Die Leute wüssten viel zu wenig und man rede zu wenig über die Thematik.
Die Langenthaler Fasnachtsgesellschaft stand für eine Stellungnahme nicht zur Verfügung.