Basler Zeitung. Die Anastasia-Bewegung will Parallelgesellschaften aufbauen. Ein Aushängeschild der Szene lädt zum Seminar in Ormalingen ein.
Im Pfadihaus Ormalingen soll Mitte Februar ein Seminar stattfinden, dessen Referentin enge Verbindungen in die rechtsextreme Szene hat. Das zeigen Veröffentlichungen des Recherchekollektivs Betonmalerinnen.
Bei der Referentin handelt es sich um eine nationalistisch eingestellte Russin. Gemäss Informationen der Sektenfachstelle Relinfo lebt sie in der Schweiz, reist aber regelmässig nach Russland.
Die Referentin sagt über sich selbst, dass die Anastasia-Bücher des russischen Autors Wladimir Megre 1999 ihr «ganzes Leben verändert haben». Die Anastasia-Bücher, eine Romanreihe, begründeten eine neue religiöse Bewegung.
Die Bücher mit der gottähnlichen Heldin Anastasia, die über «paranormale» Fähigkeiten – die der moderne Mensch verloren habe – verfüge, sind voll von Esoterik. Ausserdem enthalten sie rassistische, antisemitische und demokratiefeindliche Konzepte.
Megre legt seiner Figur – von der er stets behauptete, dass es sich um eine existierende Frau handle, bis er in einem Gerichtsprozess das Gegenteil eingestehen musste – etwa folgende Aussage in den Mund: «Wir – Asiaten, Europäer, Russen und diejenigen, die sich vor kurzem Amerikaner genannt hatten – sind in Wirklichkeit Menschen-Götter aus einer Zivilisation der Wedrussen.»
Der Autor stellt im zehnbändigen Werk das urbane, hoch technisierte Leben dem Ideal eines naturnahen, angeblich spirituell hochstehenden Daseins gegenüber.
Die Anastasia-Bewegung wächst in Russland stetig. Doch auch im deutschsprachigen Raum wird das völkisch-esoterische Konzept immer beliebter. Besonders deutlich zeigt sich das bei den sogenannten Familienlandsitzen. 2015 wurde der Verein Familienlandsitze in der Schweiz gegründet, seither werden regelmässig Vernetzungstreffen organisiert. Auf den Familienlandsitzen wollen Megre-Fans die Anastasia-Lebensweise umsetzen und sich von der Gesellschaft abschotten. Dazu gründen sie beispielsweise eigene Schulen mit ebenfalls esoterischen Ansätzen.
Aufbau von Parallelstrukturen
In Deutschland haben die völkischen Siedlerinnen und Siedler teilweise grosse Landstücke gekauft, auf denen sie zurückgezogen leben. Deren erklärte Strategie sei es, durch die Normalisierung «auch bisher unauffällige Bürger» von rechtsradikalen und völkischen Ideen zu überzeugen. Zudem sollen Parallelstrukturen aufgebaut werden. Aus diesen Strukturen sollen organisierte Angriffe auf die politische Ordnung stattfinden können, erklärte Matthias Quent, Rechtsextremismus-Experte, gegenüber deutschen Medien.
Die Seminarleiterin des Anlasses in Ormalingen transportiert in ihrem Einladungsvideo zum Seminar Antisemitismus nach der Logik der Anastasia-Bewegung. Sie nahm auch an zahlreichen Veranstaltungen im rechtsextremen Milieu teil.
Gemeinde sieht sich nicht in der Verantwortung
Ist ein Seminar in diesem Kontext für die Gemeinde Ormalingen ein Problem? «Natürlich möchten wir unser Dorf nicht in Zusammenhang bringen mit fragwürdigen Veranstaltungen, die das Gemeinwohl stören», schreibt Gemeindepräsidentin Katharina Zimmermann auf Anfrage.
Aber: Das Pfadihaus gehöre nicht der Gemeinde, entsprechend habe die Gemeinde keinen Einfluss auf Veranstaltungen, die dort stattfänden. «Für uns als Gemeinde ist relevant, dass unter anderem die Vorschriften in Bezug auf Ruhestörung, Sicherheit, Alkoholkonsum eingehalten werden und bei grösseren Veranstaltungen die nötigen Bewilligungen vorhanden sind.»
Die zuständige Person, die für die Vermietungen des Pfadihauses verantwortlich ist, war für diese Zeitung nicht zu erreichen.