Der Bund. Die Schweizer Nachtwölfe treten als Putin-treue Rocker in Erscheinung. Wie viele Mitglieder zählen sie? Und sind zwei Burgdorfer noch dabei?
Er habe Sticker und Abzeichen von Motorrad und Jacke entfernt. Und er habe bei den Nachtwölfen seinen Austritt gegeben – am Tag, nachdem Putin die Ukraine angegriffen hat. Dies sagte der Mann, der beim Eishockeyclub Burgdorf als «Fan-Chef» gilt.
Vor einem Monat war er als Sympathisant der russischen Motorradrocker Nachtwölfe aufgefallen. In einem Telefongespräch hatte er beteuert, schon als Jugendlicher Russland verfallen zu sein. Er sei ein Russlandfan, kein Putin-Fan. Über seine Geschichte hat diese Zeitung am 5. Mai berichtet.
Unklar war dabei geblieben, welche Bedeutung die Nachtwölfe in der Schweiz haben, wie sie überhaupt organisiert sind und in welchem Verhältnis sie zum Motorradclub in Russland stehen. Die Nachtwölfe waren 1989 gegründet worden. In Russland soll der kremlnahe Club um die 5000 Mitglieder zählen. Diese gelten als patriotisch, antiwestlich und schwulenfeindlich.
Unklar war in der Zwischenzeit auch, wie ernst es der Burgdorfer «Fan-Chef» mit seiner Distanzierung meinte. Wie das Nachrichtenportal «Watson» am Wochenende berichtete, habe er mit seinem Motorrad am 9. Mai an dem Gedenkanlass auf dem Basler Friedhof Hörnli teilgenommen. Er habe sich gleich hinter dem Chef der Schweizer Nachtwolfgruppe eingereiht. Der traditionelle Anlass war dieses Jahr besonders brisant.
Wie auf Bildern zu sehen ist, die eine Pressefotografin am Anlass machte, war eine Handvoll Schweizer Nachtwölfe in Basel zugegen. Auf den Fotos ist in der Tat ein Motorrad zu sehen, das jenes des «Fan-Chefs» sein könnte.
Am Montag nun reagierte der «Fan-Chef» auf eine Anfrage. Zuvor hatte er keinen Kontakt mehr zugelassen. Er sei nicht in Basel gewesen, beteuerte er am Telefon. Das Motorrad, das auf den Bildern aus Basel zu sehen sei, sei auch nicht seines. Wer einen Blick dafür habe, sehe die Unterschiede sofort. Nach dem 24. Februar habe er das Thema Nachtwölfe abgehakt. Mehr wolle er dazu nicht sagen.
Die Durchsicht der im Archiv vorhandenen Bilder des Anlasses legt nahe, dass der Burgdorfer «Fan-Chef» tatsächlich nicht in Basel dabei war. Vergleicht man sein Motorrad, von dem er auf Facebook Bilder gepostet hat, mit dem Motorrad auf den Basler Bildern, sind Unterschiede erkennbar.
Gründung vor einem Jahr
Bleibt die Frage nach der Bedeutung der Schweizer Nachtwölfe. Auf Fotos, die in den sozialen Medien in den vergangenen Monaten gepostet wurden, sind nie mehr als ein halbes Dutzend Rocker zu sehen. Dies dürfte vermutlich mit der Mitgliederzahl übereinstimmen.
Wie das Bundesamt für Polizei (Fedpol) auf Anfrage mitteilt, wurde der Night Wolves MC Switzerland im Frühling 2021 gegründet. Dieser Motorradclub (MC) habe, schreibt das Fedpol, «nach wie vor Anwärterstatus», sei also nicht ein vollwertiger Ableger des Night Wolves MC, des eigentlichen «Mutterclubs» aus Russland.
Weiter teilt das Fedpol mit, beim Schweizer Ableger handle es sich «um eine sehr kleine Gruppierung». Das Bundesamt geht «von einer einstelligen Anzahl Mitglieder» aus. Diese Gruppierung sei in der Schweiz «aus polizeilicher Sicht bisher unauffällig geblieben».
Bei Broncos unbekannt
Unauffällig sind die Schweizer Nachtwölfe auch bei anderen Rockern geblieben. Jimy Hofer, der Präsident der Broncos, sagt auf Anfrage, Nachtwölfe seien in der Motorradclub-Szene hierzulande «nicht präsent». Auch eine entsprechende Clubgründung sei unter den Broncos kein Thema gewesen, «respektive nicht bis zu uns durchgedrungen». Falls die Gruppe von Bedeutung wäre, «würde man sie sehen – aber das ist nicht der Fall». Auch Mitglieder der eigentlichen Nachtwölfe aus Russland seien in der Schweiz nicht präsent. Er habe auch nichts davon gehört, dass in anderen Ländern Ableger der Nachtwölfe gegründet worden wären.
Der Motorradclub Broncos gilt als der zweitgrösste in der Schweiz. Die Broncos MC Switzerland haben gemäss einer Schätzung des Fedpol 70 bis 80 Mitglieder. Die Hells Angels MC Switzerland sind mit 150 bis 200 Mitgliedern mehr als doppelt so stark. Das Fedpol betonte, es gebe keine statistischen Erhebungen zu Motorradclubs, und dementsprechend könnten auch nicht genaue Zahlen genannt werden.
Und der zweite Nachtwolf?
Im Umfeld des EHC Burgdorf bewegte sich ein zweiter Sympathisant der Nachtwölfe. Bis letztes Jahr war er vom Eishockeyclub angestellt. Auch er wollte nach der Publikation des ersten Beitrags keine Stellung nehmen. Auf seiner Facebook-Seite fiel jedoch auf, dass er danach das St.-Georgs-Band entfernte, mit dem er zuvor sein Profil geschmückt hatte. Dieses Abzeichen tragen jene, die seit der Annexion der Krim 2014 die aggressive Politik Putins unterstützen. Wie weit er sich wirklich distanzierte, ist unklar. An der Feier in Basel war er nicht dabei; russlandfreundliche Facebook-Posts sind bei ihm aber nach wie vor zu finden.
Klar ist hingegen, woher der Wind bei den Nachtwölfen Schweiz weht. Auf den sozialen Medien lassen sie die Welt wissen, für wen ihr Herz schlägt: «Wir stehen zu Russland! Wir stehen zu seinem Präsidenten! (…) Wir sind Russland hier in der Schweiz! Ohne Wenn und Aber!»