Die Wochenzeitung. Kommentar von Anna Jikhareva und Jan Jirát
In jüngster Zeit hat die rechtsextreme Gruppierung Junge Tat (JT) viel mediale Beachtung erhalten, zuletzt, als sie Ende November aufs Dach des Basler SBB-Bahnhofs kletterte und ein ausländerfeindliches Transparent hisste (vgl. «Die Schwiegersohn-Neonazis»). Viele Medien reproduzieren die bewusst inszenierten Aktionen der JT bloss, ohne deren tiefe Verortung in der international vernetzten rechtsextremen Szene zu beschreiben.
Das Problem der fehlenden Einordnung betrifft aber nicht nur die Medien. Der Historiker Damir Skenderovic kritisiert ganz grundsätzlich die Passivität im Umgang mit der rechtsextremen Szene: «Wir wissen nicht, wie diese Szene in der Schweiz aussieht. Es gibt leider keine Beobachtung, kein Monitoring, kaum Forschung, die Behörden sind offensichtlich sehr wenig im Bild.» Er wisse folglich nicht, «ob es bei der Jungen Tat irgendwelche Flügelkämpfe gibt, ob sie von anderen eher als Konkurrenz oder als Verbündete angeschaut werden oder welche Bedeutung sie nach innen für die rechtsextreme Szene haben».
Eigentlich gehört es zu den Aufgaben des Nachrichtendienstes des Bundes (NDB), die rechtsextreme Szene zu beobachten, zu analysieren und gegebenenfalls auch Überwachungsmassnahmen anzuwenden. Und tatsächlich zeichnet der NDB in seinen jüngsten Lageberichten ein durchaus bedrohliches Bild dieser Szene: «Die Attraktivität des Schiessens und von Kampfsportarten bleibt bestehen, die Fähigkeiten in diesen Bereichen nehmen zu.» Gewaltsame Vorfälle seien wahrscheinlicher geworden, die Befürchtung, bei einem Outing mit persönlichen Konsequenzen wie Stellenverlust rechnen zu müssen, sei gesunken: «Dies dürfte die Motivation erhöhen, öffentlich Aktionen durchzuführen und damit auch neue mögliche Mitglieder anzuziehen.»
Auf eine Anfrage der WOZ, wie der Geheimdienst mit der steigenden Gefahr rechtsextremer Gewalt umgehe, antwortete der NDB: Man kommentiere keine Medienberichte und äussere sich nicht «zu Einzelfällen und Gruppierungen». Ein Hintergrundgespräch lehnte der NDB ebenso ab. Dass er die Öffentlichkeit nicht informiert, ist angesichts der aktuellen Entwicklungen stossend.