Putin will Ukraine «entnazifizieren» – mithilfe von russischen Nazis

Blick.

Russland startete die Invasion der Ukraine unter dem Vorwand, das Land vor Nationalsozialisten wie dem Asow-Regiment schützen zu müssen. Dafür wurden auch Söldner des Wagner-Trupps angeheuert: eine Gruppierung, die selbst im rechtsextremistischen Milieu zu Hause ist.

Als Begründung für den Einmarsch in die Ukraine sprach der russische Präsident Wladimir Putin (69) dem Nachbarland nicht nur die Rechtmässigkeit seiner Unabhängigkeit ab. Er gab auch an, die Ukraine «entnazifizieren» zu wollen. Der Kreml-Chef beschimpft die pro-europäische Regierung rund um den jüdischstämmigen ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski (44) als «ukrainische Neonazis» und sieht es als seine Aufgabe, die Rechtsextremen loszuwerden.

Die «Entnazifizierung» der Ukraine sorgte weltweit für Aufruhr und Unverständnis. Aber Fakt ist: Den Freiwilligenverband Asow, der offiziell zur ukrainischen Nationalgarde gehört, gibt es tatsächlich. Dort kämpfen Männer mit ultranationalistischer und nationalsozialistischer Gesinnung, als Erkennungszeichen tragen die Kämpfer ein Emblem mit einer Wolfsangel – ein Zeichen, das auch Hitlers SS während des Zweiten Weltkriegs benutzte.

Asow-Regiment kämpft in Mariupol

Das Asow-Regiment verteidigt zurzeit die ukrainische Hafenstadt Mariupol im Südosten des Landes, die in den vergangenen Tagen immer wieder für Schlagzeilen sorgte. Dieser Fakt sei «ein Geschenk» für Moskaus Propaganda und gebe Putin die Möglichkeit, seine «Denazifizierung der Ukraine» weiter zu rechtfertigen, wie der «Spiegel» schreibt.

So streuten russische Medien vergangene Woche Bilder und Nachrichten von Wohnhäusern in Mariupol, die angeblich von dem extremistischen Bataillon zerstört worden seien und befeuerten so das Narrativ, dass das Asow-Regiment einen unbarmherzigen Kampf gegen die eigene Bevölkerung führen würde.

Es ist nicht das erste Mal, dass sich russische Truppen und die Asow-Kämpfer in Mariupol gegenüberstehen – bereits im Jahr 2014 lieferten sich die beiden Divisionen erbitterte Kämpfe um die Hafenstadt. Schlussendlich gelang es dem Asow-Trupp, die Stadt zurückzuerobern und im gleichen Zug mehrere Siedlungen in den separatistischen Gebieten im Donbass zu befreien. Daraufhin stieg die Zahl der Asow-Kämpfer von wenigen Hundert auf die jetzigen 2000 aktiven Kämpfer, wie der «Spiegel» weiter berichtet.

Truppe wird seither aus der Staatskasse finanziert

Die Geschichte der Ukraine mit Rechtsextremen endet allerdings nicht beim Asow-Regiment. Während der Maidan-Proteste wetterte die Gruppierung «Rechter Sektor» gegen den korrupten und russlandtreuen ukrainischen Ex-Präsidenten Wiktor Janukowitsch (71).

Nach den Maidan-Protesten schafften es einige ultranationalistische Politiker gar für kurze Zeit ins ukrainische Parlament. Dass der extremistische Freiwilligenverband Teil der Nationalgarde geworden ist, lag vor allem am schlechten Zustand des ukrainischen Militärs.

«Jeder, der eine Waffe in die Hand nehmen wollte, war willkommen», so der «Spiegel». Die Truppe wird seither aus der Staatskasse finanziert und präsentiert sich wie eine normale Sondereinheit der Nationalgarde. Diesen Zustand nutzte Russland dafür, zu behaupten, die Ukraine werde nun von einer «faschistischen Junta» regiert.

Die Uno-Menschenrechtsorganisation (OHCHR) hat bereits mehrere Verbrechen durch die Mitglieder des rechtsextremistischen Asow-Regiments im Donbass dokumentiert. So sollen die Asow-Kämpfer jeweils 2014 und 2015 Menschen gefoltert haben, weil diese ihre Unterstützung für die pro-russischen Separatisten aus Luhansk und Donezk geäussert hatten. Viele weitere durch das OHCHR dokumentierte Menschenrechtsverletzungen wurden allerdings durch das Separatistenregime in Luhansk und Donezk verübt.

Russland erhält Unterstützung von Wagner-Truppe

Denn auch die pro-russischen Separatisten haben seit 2014 ihre eigenen «foreign fighters». Wie der «Spiegel» herausfand, lebt der «berühmteste italienische Rechtsextremist», Andrea Palmeri (42), seit 2014 in Luhansk. Und während Kreml-Führer Putin sich über die Nationalsozialisten in der Ukraine echauffiert und eine Rettung für die einzig richtige Lösung hält, profitiert das russische Militär selbst von rechtsextremistisch gesinnten Söldnern der Wagner-Gruppe, die laut Berichten auf der russischen Seite gegen die Ukraine kämpfen sollen.

Deren Anführer ist laut mehreren russischen und litauischen Quellen der Unternehmer Dmitri Walerjewitsch Utkin (51), der unter dem Namen «Wagner» kämpft. Inspiriert wurde er laut «Meduza» durch Adolf Hitlers (1889–1945) Lieblingskomponisten, Richard Wagner (1813–1883). Bilder zeigen Utkin mit nationalsozialistischen Tattoos, darüber hinaus soll er Ex-Soldat sein und gute Verbindungen zum russischen Präsidenten höchstpersönlich haben.

Er soll in Zusammenarbeit mit dem russischen Militär zudem bereits Einsätze in Libyen, Syrien und auf der Krim geplant und durchgeführt haben – und nun auch seine Finger bei der Ukraine-Invasion im Spiel haben. Für sein «Heldentum und Mut für sein Vaterland Russland» während der Krim-Annexion wurde er 2016 von Putin höchstpersönlich mit einer Medaille ausgezeichnet, wie Bilder zeigen. Dies schreibt das litauische Open-Source-Projekt res publica.

Er gilt in der Ukraine als Kriegsverbrecher

Das litauische Medium berichtet zudem von Jan Petrowski (42), dem Vizekommandanten der rechtsextremistischen russischen «Taskforce Rusich». Auch diese Gruppierung hat in den Jahren 2014 und 2015 Seite an Seite mit Separatisten in Donezk und Luhansk gekämpft. In der Ukraine gilt er aufgrund seiner Taten als Kriegsverbrecher.

Belegt werden sollen die nationalsozialistischen Tendenzen der Wagner-Gruppe auch mit Symbolen und Runen, die sie auf ihre Militärfahrzeuge malen. Viele dieser Symbole werden von Expertinnen und Experten als Hasssymbole eingestuft und finden ihren Ursprung oftmals in der Ideologie der deutschen Nationalsozialisten unter Hitler.

Im Netz finden sich zudem zahlreiche Fotos aus Konfliktgebieten wie Libyen und Syrien, in denen russische Söldner Häuser und Moscheen mit solchen Symbolen beschmierten. Auch im aktuellen Ukraine-Krieg prangen an russischen Panzern Symbole – wofür das «Z» und das «V» steht, ist allerdings noch nicht vollends geklärt. Manche bezeichnen es allerdings bereits als «das neue Hakenkreuz».

Deutsche Nazis unterstützen Russland, nicht die Ukraine

Die Meinungen bei ausländischen Rechtsextremisten zu den ukrainischen und russischen Nationalsozialisten gehen derweil auseinander. Das deutsche Bundesamt für Verfassungsschutz bestätigte gegenüber der «Welt», dass in den vergangenen Tagen bereits deutsche Neonazis in die Ukraine ausgereist sind.

Unklar ist, ob sie einem Aufruf der ukrainischen Asow folgen, denn der überwiegende Teil der deutschen Nationalsozialisten unterstütze nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden nicht die Ukraine, sondern Russland. Serbische Nationalsozialisten bekennen sich ebenfalls eher zu Russland, wie Videos von pro-russischen Demonstrationen zeigen.

Russland angeblich einziges Land, das sich dem Nationalsozialismus stellt

Auch in der Schweiz machten Aufrufe, sich dem ukrainischen Extremisten-Bataillon Asow anzuschliessen, die Runde, wie der «Tages-Anzeiger» berichtete. Ob die Aufrufe echt sind und von wem sie in Schweizer Nachrichtenportalen gestreut wurden – das bleibt bisher offen. Wohin es Schweizer Neonazis zieht, ist ebenfalls unbekannt, Aufrufe wurden allerdings nur vonseiten Asow publik.

Während zahlreiche russische Söldner offen Anhänger rechtsradikaler oder neonazistischer Ideologien sind, ist die Abneigung gegenüber allem, was mit Nationalsozialismus und Faschismus zu tun hat, tief in der russischen Gesellschaft verwurzelt.

Zudem beharrt der Kreml weiterhin hartnäckig darauf, Russland sei das einzige Land, das sich dem Nationalsozialismus stelle. Und das führt zu einem Paradox: Die russische Regierung bekämpft die «Nazifizierung» der Ukraine ausgerechnet mithilfe von Neonazis und Rechtsextremisten aus dem eigenen Land.