Wüster Machtkampf bei den Freiheitstrychlern!

SonntagsBlick.

Die Freiheitstrychler stehen vor der Spaltung. Zwei Anführer liegen im Streit, beide haben Anhänger um sich geschart. Es geht um Geld, Einfluss und Ausrichtung. In den letzten Wochen ist der Machtkampf eskaliert.

Die Freiheitstrychler wollen «ein einig Volk von Brüdern» sein. So schreiben sie es auf ihrer Website, auf ihren Flyern, in ihren Onlinechats. Das Zitat aus Friedrich Schillers «Wilhelm Tell» ist Teil ihres «Bekenntnisses».

Einig sind die Freiheitstrychler allerdings längst nicht mehr – eher heillos verkracht. SonntagsBlick recherchierte in den Tiefen des Glockenträger-Milieus und fand vor allem eines: erbitterten Streit. Unter den Trychlen tobt ein Machtkampf. Die Vorzeigetruppe der Corona-Bewegung steht kurz vor dem Auseinanderbrechen. In den letzten Wochen sind die Auseinandersetzungen eskaliert. Mehrmals musste die Polizei anrücken. Zwei Lager stehen sich unversöhnlich gegenüber. Angeführt werden sie von den medialen Aushängeschildern der Freiheitstrychler: Andy Benz (60) aus dem Kanton Schwyz und Roland Schätti (55) aus dem Kanton St. Gallen.

Benz, selbständiger Bauführer und polizeibekannter Behördenschreck, hat die Trychler gegründet. Im September trat er in der SRF-«Arena» auf, im November prangte er auf der Titelseite des Magazins der «NZZ am Sonntag». Che-Guevara-Pose, die Krumme im Mundwinkel – ein rechtsnationaler Rebell, wie er im Buche steht.

Schätti, sein Gegner, ist etwas später zu den Trychlern gestossen als Benz. Der diplomierte Landwirt ordnet sich politisch zwischen FDP und SVP ein. Vor einem Monat strahlte das SRF einen Dokfilm über ihn aus. Ein Reporter begleitete ihn 24 Stunden lang, an eine Corona-Demo in Genf, nach Hause zu seiner Familie. Schätti ist Idealist. Um zwei Trycheln zu erwerben, verkaufte er sein Motorrad. «Als ich die Glocken hörte, hatte ich Tränen in den Augen», sagt er.

Sandkastenkrieg

Sowohl Benz als auch Schätti haben Anhänger um sich geschart. Als engster Vertrauter von Benz agiert der rechte IT-Unternehmer Markus Hilfiker, Inhaber der Freiheitstrychler-Website und von patriot.ch. Um Schätti gruppieren sich vergleichsweise gemässigte Leute von der Basis der Bewegung in der Ostschweiz.

Am 20. Januar kam es zum Eklat. Benz und seine Anhänger tauchten unangemeldet bei Schätti zu Hause auf. Zum «Protesttrycheln», sagen sie, weil er ohne Erlaubnis ein Live-Interview im Namen der Freiheitstrychler gegeben hatte.

Schätti behauptet, Benz und seine Kumpanen seien ohne zu fragen in sein Haus eingedrungen, hätten den Boden zerkratzt, seinen Sohn beschimpft und bedroht. Daraufhin rief Schätti die Polizei und zeigte seine Widersacher an. Benz bestreitet die Vorwürfe vehement – die Polizei ermittelt.

Zwei Wochen später trafen sich die Anführer der verfeindeten Lager in einer Landbeiz in der Ostschweiz. Mit dabei: zwei Mediatoren. Sie sollten die Streithähne versöhnen. Doch der Versuch scheiterte. Die Fronten verhärteten sich weiter.

Rechtsextreme sind dabei

Vor zehn Tagen dann die nächste Eskalation: Schätti traf sich im Hinterzimmer eines Restaurants mit Trychlern aus der Ostschweiz und dem Zürcher Oberland. Hinter geschlossenen Vorhängen diskutierten sie über eine Abspaltung von den Freiheitstrychlern.

Während des Treffens tauchten Benz und seine Mitstreiter auf. Schätti fühlte sich nach eigenen Angaben bedroht und verständigte erneut die Polizei. Deren Sprecher bestätigt: «Wir wurden wegen Meinungsverschiedenheiten dorthin gerufen.» Straftaten seien nicht festgestellt worden.

Doch worum dreht sich der Streit überhaupt? Schätti und andere Freiheitstrychler werfen Gründer Benz vor, Entscheide an der Basis vorbei zu treffen. Er toleriere keine Konkurrenz, verhalte sich «wie ein kleiner Diktator». Wer sich kritisch äussert, werde eingeschüchtert.

«Das sind nicht mehr meine Freiheitstrychler», sagt Schätti. Mehr noch: «Einige in der Gruppe sind rechtsextrem und eine Gefahr für die Gesellschaft.» Tatsächlich haben mehrere Trychler Angst vor Benz und seinen Männern. Das zeigen Chatverläufe, die SonntagsBlick vorliegen. Darin ist von Drohungen die Rede – und von einem weiteren unangemeldeten Hausbesuch eines Verbündeten von Benz.

Bei dem Streit geht es aber auch ums Geld. Benz hat sich gleich zu Beginn die Markenrechte an den Freiheitstrychlern gesichert. Der Grossteil der Spenden fliesst auf sein Konto. Auch die Erlöse des Trychler-Webshops, in dem Hemden, Hüte, Tassen und Handyhüllen mit dem Enzian- und Edelweiss-Emblem angeboten werden, fliessen zu Benz und Hilfiker.

Querulantischer Einzelgänger

Die Basis habe vom Geld wenig gesehen, behauptet Schätti. Der Erlös von Spendensammlungen lande nur bei einzelnen Leuten.

SonntagsBlick hat versucht, Andy Benz zu kontaktieren. Statt des Innerschweizers meldete sich jedoch ein Rechtsanwalt aus der Kanzlei des Strafverteidigers Valentin Landmann, der Zürcher Jürg Krumm. Er vertritt Benz – und liess wissen, der Gründer der Freiheitstrychler sei bereit, Fragen zu beantworten.

Die Antworten aber trafen bis Redaktionsschluss nicht ein. Stattdessen veröffentlichten Benz und einige seiner Getreuen am Freitagabend ein Video, unterlegt mit der Nationalhymne. Darin schildern sie ihre Sicht der Dinge. Sie stellen Schätti als Einzelgänger und Querulanten dar. «Wir Freiheitstrychler haben Verhaltensgrundsätze, leider hat Roland Schätti mehrfach gegen diese verstossen.» Schätti sei gebeten worden, keine Medienauftritte mehr im Namen der Trychler zu machen, habe sich jedoch weiter uneinsichtig gezeigt und sich aggressiv verhalten.

Unheimliche Symbolik

Bis zum Erscheinen des Videos konnten die Freiheitstrychler ihre internen Querelen weitgehend geheim halten. Nur zweimal zeigten sich Risse in der Schönwetterfassade. Am vergangenen Dienstag eskalierte der Machtkampf kurzzeitig auch auf dem bis dahin offiziellen Telegram-Kanal der Trychler. Ein Web-Administrator änderte das Profilbild. Das Logo der Freiheitstrychler wurde durch ein Grabkreuz ergänzt, dazu die drei Grossbuchstaben RIP – Ruhe in Frieden. Auch der Beschrieb des Kanals wurde vorübergehend geändert. Plötzlich stand da: «Die Ratten verlassen das sinkende Schiff.»

Kurz darauf tauchte in einem weiteren Kanal der Freiheitstrychler eine Erklärung auf: «Achtung, Telegramkanal in falsche Hände geraten!» Temporär sei ab sofort der Ersatzkanal gültig. Der ursprüngliche, der den Tod der Freiheitstrychler verkündet hatte, änderte seinen Namen in Freiheitliche-Trychler – wohl um nicht gegen die Markenrechte von Benz zu verstossen.

Zwei Tage später wurde es noch absurder. Roland Schätti, der diplomierte Landwirt aus der Ostschweiz, bot auf der Online-Auktionsplattform Ricardo das Trychlerhemd seines Widersachers Andy Benz zum Kauf an. Startangebot: 500 Franken.

Köppel: «Die letzte Verteidigungslinie der Schweiz»

Dazu wiederum muss man wissen: Die Hirtenhemden symbolisieren die Identität der Freiheitstrychler. Jedes Mitglied erhält ein personalisiertes Hemd mit eingenähter Mitgliedsnummer und Initialen. Im Fall von Andy Benz: 001 AB. Bei Schätti: 066 RS. Mittlerweile ist die Auktion auf Ricardo gelöscht.

Die Spaltung der Freiheitstrychler trifft die Corona-Bewegung ins Mark. Waren die Glockenrebellen doch das Symbol der Proteste schlechthin, bis über die Landesgrenzen hinaus bekannt – und mehr: Sie galten als Anknüpfungspunkt zwischen Massnahmengegnern und der konservativen Polit-Elite im Land. Bundesrat Ueli Maurer (SVP) und sein Parteifreund Christoph Blocher posierten im Hirtenhemd, SVP-Nationalrat Roger Köppel nannte die Gruppierung «die letzte Verteidigungslinie der Schweiz».

In ihrem Bekenntnis auf der Website versichern die Freiheitstrychler nach wie vor, frei nach Friedrich Schiller: «Wir wollen sein ein einig Volk von Brüdern und Schwestern. In keiner Not uns trennen.» Ein Versprechen, das sie brechen werden. Die Trennung steht bevor.