50 Jahre Schwarzenbach-Initiative – 50 Jahre Fremdenfeindlichkeit: Nie mehr!

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Die Schwarzenbach-Initiative war kein Unfall der Schweizer Geschichte. Und ist schon gar nicht historisch erledigt. Sondern ein Stück jenes braunen politischen Fadens, der sich bis in die Gegenwart zieht.

7. Juni 1970: 54 Prozent sagen Nein zur Schwarzenbach-Initiative. Ausschliesslich Männer. Frauen hatten in der Schweiz damals noch kein Stimm- und Wahlrecht. Vorausgegangen war ein heftiger Abstimmungskampf. Ein Ja zu James Schwarzenbachs Initiative gegen die «Überfremdung» hätte dazu geführt, dass bis 400’000 Migrantinnen und Migranten ausgeschafft worden wären. Offiziell waren alle zen­tralen Organisationen und Parteien dagegen und alle Publikationen von der damals noch freisinnigen NZZ bis zum kommunistischen «Vorwärts». Doch in der Bevölkerung brodelte es. Denn dem in der Wolle gefärbten Faschisten Schwarzenbach (siehe unten) war es gelungen, die Erzählung von der «Schädlichkeit» der Nicht-Eidgenossen weit zu verbreiten. Die Diskussionen darüber spalteten Familien. Die Initiative wurde trotz der breiten offiziellen Nein-Front nur relativ knapp abgelehnt.

Zurück blieben traumatisierte Menschen (siehe die Berichte der Zeitzeuginnen und Zeitzeugen). Und es folgte eine Phase der Arbeitsimmigration von quasi Rechtlosen. Das änderte sich erst mit der Einführung der Personenfreizügigkeit und der flankierenden Massnahmen.

KONTINGENTE STEUERN NICHTS

Die Bewunderung für den Faschisten Schwarzenbach ist in rechten Kreisen auch heute noch ungebrochen. Für einige Jahre war sie eher still. Jetzt wird sie zunehmend wieder laut. Ein Beispiel dafür ist SVP-Nationalrat Peter Keller. Er hat eine lange Lobhudelei auf den Fremdenhasser James Schwarzenbach und seine Initiative verfasst. 2020! Keller ist auch Journalist für die «Weltwoche» von SVP-Nationalrat ­Roger Köppel. Dort erschien unlängst eine Heiligsprechung des faschistischen spanischen Diktators Francisco Franco, was Schwarzenbach sicher gefallen hätte. Kellers Kernthese: Dank der fremdenfeindlichen Schwarzenbach-Initiative habe die Schweiz Kontingente eingeführt um «die Zuwan­derung zu steuern». Da hat er nicht unrecht. Einst wie heute brachen rechte Parteien unter dem Druck der extremen Rechten und der Wirtschaftsverbände ein. SVP-Keller vermeldet das als Erfolg und trommelt damit für die Kündigungsinitiative seiner Partei, über die wir im Herbst abstimmen.

LÖHNE UNTER DRUCK

Dabei ist das Gegenteil richtig: Mit der Schaffung von einer im wesentlichen rechtlosen Armee von migrantischen Arbeitskräften gerieten die Löhne erst recht unter Druck. Auch die der Schweizerinnen und Schweizer. Den Unmut über ihre soziale Lage und die noch ungerechtere Verteilung des Profits, der durch die Lohnabhängigen erarbeitet wurde, leiteten die Rechten und die Wirtschaftsverbände auf «die Ausländer» ab. Leider blieben auch die Gewerkschaften in dieser Frage nicht alle sauber. Der Export der Arbeitslosigkeit während der Ölkrise in die Herkunftsländer der «Fremdarbeiter» galt auch in gewissen gewerkschaftlichen Kreisen als «Erfolg».

Letzteres hat sich seither verändert. Die SGB-Gewerkschaften wissen heute und sagen das auch immer wieder deutlich: Nicht die migrantische Kollegin oder der migrantische Kollege ist verantwortlich für schlechte Arbeitsbedingungen und zu tiefe Löhne, sondern die Arbeitgeber und die Lohndrücker-Parteien von SVP bis GLP.

SÜNDENBÖCKE

Nicht verändert hingegen hat sich auch 50 Jahre nach Schwarzenbach die Wirtschaftspolitik der rechten Parteien und der Arbeitgeber. Exemplarisch bei der SVP. Diese verfolgt als Partei der Milliardäre eine Politik für die Reichen und die Konzerne. Mit Steuergeschenken an die Reichen, freier Fahrt für die Abzocker der Finanz- und Versicherungsindustrie, für Immobilienhaie und Lohndrücker. Und einer Politik gegen die Gering- und Normalverdienenden, gegen die Rentnerinnen und Rentner mit Sozialabbau, Gebührenerhöhungen und Krankenkassenprämien-Explosion. Aus historischen Gründen wird einzig die Bauersame finanziell gehätschelt. Und zwar möglichst ohne Verpflichtung, für die vielen Subventionsmil­liarden wenigstens halbwegs ökologisch zu produzieren.

Als Ventil für den Frust der breiten Masse über immer weniger Geld im Portemonnaie präsentieren uns SVP & Co. Sündenböcke. Auch heute noch sind das wie schon bei Schwarzenbach mit Vorliebe «die Ausländer». Das nächste Mal mit Bestimmtheit in der Kampagne für die SVP-Kündigungsinitiative. Diese verlangt den Austritt der Schweiz aus der Personenfreizügigkeit mit der EU. Und damit das Ende der lohnschützenden flankierenden Massnahmen. Ein Ja dazu würde eine massive Verschlechterung der Arbeitnehmendenrechte führen. Denn das Kontingentsystem, das der SVP anstelle der Personenfreizügigkeit einschliesslich flankierender Massnahmen vorschwebt, war ein Des­aster für die Lohnabhängigen. Das zeigen die Zahlen. Und das zeigt die Geschichte. Und die nähere Gegenwart wird zeigen, was die Schweiz daraus gelernt hat.


Grossbürger & Faschist: Ein Sohn aus bestem Hause

James Eduard Schwarzenbach wurde 1911 in eine grossbürgerliche Zürcher Textilfabrikantenfamilie geboren. Familiär verbunden waren die Schwarzenbachs unter anderem mit der Sippe der deutschfreund­lichen Willes. Aus dieser stammte General Ulrich Wille, der gerne an der Seite des Deutschen Reiches in den Ersten Weltkrieg gezogen wäre. Und er war massgeblich an der massiven Gewalt gegen die Landesstreikenden 1918 beteiligt. Sein Sohn Ulrich junior lud 1923 Adolf Hitler in das Sippen-Gut «Villa Schönberg» in Zürich ein. Hitler sammelte bei dieser Gelegenheit bei Schweizer Indus­triellen eine grosse Summe an Spenden ein, die ihm später die Finanzierung seines Münchner Putsches ermöglichte.

FAMILIENTRADITION. Schwarzenbach engagierte sich auch für die Faschisten. Er gehörte zu den führenden Köpfen der Schweizer Frontisten. Die «Na­tionale Front» war die stärkste Gruppierung der Schweizer Faschisten in den 1930er Jahren. Sie entstand aus dem Zusammen­gehen der von Jungfrei­sinnigen gegründeten «Neuen Front», die akademisch geprägt war, und der eher proletarisch-völkischen «Nationalen Front». Ihr gehörte auch der spätere ­Zürcher Literaturprofessor Emil Staiger an, der sich auch 20 Jahre nach dem Zusammenbruch des deutschen Nazi-Regimes bei einer Rede zur Verleihung des Zürcher Literaturpreises reaktionär äusserte und dafür unter an­derem von Schriftsteller Max Frisch heftig kritisiert wurde.

VERLEGER. Auch Schwarzenbach betätigte sich als Schriftsteller und Autor. Seine erste «Rebellion» war die Konvertierung vom Protestantismus, der Konfession des Zürcher-Geldadels, zum Katholizismus. Die klerikal-faschistischen Denker, die in der Französischen Revolution und der Aufklärung den Beginn allen Unheils sahen, liessen ihn lebtags nicht los. In ­seinem Thomas-Verlag veröffentlichte er antisemitische Bücher – und die deutschsprachige Ausgabe der Memoiren des sowjetischen Überläufers Victor Kravchenko. Antisozialismus blieb eine Konstante in Schwarzenbachs Leben und seiner Bündnispolitik. Zudem war Schwarzenbach ein religöser Schwärmer und sexuell Verklemmter mit Gewaltphantasien. Das machte insbesondere Historiker Stefan Keller 1994 in seinem Nachruf auf ihn in der «Wochenzeitung» öffentlich. Keller waren in einem Churer Antiquariat Tagebücher von Schwarzenbach aufgefallen. Der Schwarzenbach-Clan verklagte Keller und die WOZ.

Die Parteien einigten sich auf einen Vergleich: Schwarzenbachs Erben kauften Keller die pikanten Tagebücher für 3000 Franken ab. Kellers Artikel ist in Mediendatenbanken weiter zugänglich.