Neue Zürcher Zeitung.
Der Sozialdemokrat Ahmed Huber pflegte während Jahrzehnten enge Beziehungen zu Alt- und Neonazis sowie Islamisten. Im Januar 1994 schloss ihn die SP aus. Später landete er auf der Uno-Terrorliste. Ein Blick zurück.
Das Untergeschoss des Bundeshauses, wo die Journalisten der Tages- und Wochenzeitungen ihre Arbeitsplätze haben, ist Anfang der 1990er Jahre zum zweiten Wohnzimmer für Ahmed Huber geworden. Fast zu jeder Tages- und Nachtzeit trifft man hier den älteren, freundlichen Mann. Er hat immer Zeit für einen Schwatz. Sein bevorzugtes Gesprächsthema: der Nahostkonflikt.
Huber gilt als schräger Vogel und Nonkonformist, der mit seinen politischen Ansichten etwas abgedriftet ist. Bis 1989 hat er selber noch als Bundeshausredaktor gearbeitet. Ab 1956 für die sozialdemokratische Presse, dann für die «Basler Zeitung», «Die Weltwoche» und den Deutschen Depeschendienst. Ab 1981 ist er für den «Sonntags-Blick» und die «Schweizer Illustrierte» tätig – bis er frühzeitig pensioniert wird.
Todesurteil von Ayatollah Khomeiny begrüsst
Der Grund: Der Muslim Huber hat öffentlich die Fatwa gutgeheissen, mit der Irans Revolutionsführer Ayatollah Khomeiny den Schriftsteller Salman Rushdie wegen des Buchs «Die satanischen Verse» zum Tode verurteilte. Seine Äusserung und der anschliessende Rauswurf beim Ringier-Konzern sorgen nicht zuletzt deswegen für Schlagzeilen, weil Huber als SP-Mitglied bekannt ist.
Bei seinem Abschied aus dem Berufsleben blickt der Publizist auf ein bewegtes Leben zurück. Geboren 1927 als Albert Friedrich Armand Huber, wächst er als Sohn protestantischer Eltern in Freiburg auf. Später siedelt die Familie nach Bern über, wo Huber Rechtswissenschaften zu studieren beginnt. Sein Herz schlägt für links, und so tritt er 1952 der SP bei. In der Schweizer Armee bringt er es bis zum Oberleutnant der Artillerie. Das Studium beendet er nie, er steigt in den Journalismus ein und reist viel, vor allem im arabischen Raum. In Ägypten lernt er seine spätere Frau kennen. 1963 konvertiert er in Kairo zum Islam. Er nennt sich nun Ahmad Abdallah Ramadan al-Swissri. In seiner Heimat heisst er seither Ahmed Huber.
Das Ende seiner journalistischen Karriere ist für Huber Schock und Befreiung zugleich. Er kann nun offen zu seiner Gesinnung stehen, die gelegentlich schon vorher zum Vorschein gekommen ist. Ahmed Huber plant sein «Outing» akribisch. Als Plattform für die Präsentation seiner Ideen wählt er die linke «Wochenzeitung» («WoZ»). Auch die Journalisten, denen er am 23. August 1993 Zutritt zu seinem Haus im Berner Vorort Muri gewährt, lädt er mit Bedacht ein. Es handelt sich um die bekannten Autoren Jürg Frischknecht und Fredi Lerch.
Was die beiden bei Huber erleben, lässt sich vier Tage später nachlesen, unter dem Titel: «Allianz zwischen Halbmond und Hakenkreuz». Die Hausführung wird für sie zur Offenbarung von Hubers Weltbild: «Vom Parterre (Karl May) über einen Zwischenstock (Islam-Abteilung, SS, Führer) bis ins Dachgeschoss: Khomeiny und Co.» Ein anderer Journalist schreibt nach einem Besuch in Muri von einer «ideologischen Geisterfahrt sondergleichen».
Aus dem «WoZ»-Artikel geht hervor, dass der frühere Bundeshausjournalist alles andere als harmlos ist. Tatsächlich hat Huber heimlich während Jahrzehnten ausgezeichnete Kontakte zu führenden Alt- und Neonazis, radikalen Islamisten, Holocaust-Leugnern und Antizionisten aufgebaut.
Seine Verstrickungen beginnen in den 1950er Jahren. Zusammen mit anderen SP-Mitgliedern versteckt er Kämpfer der revolutionären algerischen Nationalen Befreiungsfront (FLN). Dadurch findet er zum Islam. Seine «Erweckung» erlebt der stramm antinazistisch erzogene Huber 1965. In Beirut lernt er über den Goebbels-Adjunkten Johannes von Leers den Grossmufti von Jerusalem kennen, den Hitler-Freund Mohammed Amin Al Husseini. Der Mufti war für den Aufbau der 13. SS-Waffen-Gebirgs-Division verantwortlich, einer aus Muslimen rekrutierten bosnischen Kampfeinheit. Huber erkennt in diesem Judenhasser einen Seelenverwandten. «Von ihm habe ich gelernt, dass die Feinde meines Feindes meine Freunde sind», erklärt Huber im «WoZ»-Artikel. Der gemeinsame Feind sind die Juden.
Schweizerkreuz soll eine Rune sein
Im freundlichen Plauderton erzählt er den Journalisten seine Verschwörungstheorien: «Der Holocaust hat so, wie es zuerst von den Stalinisten und Zionisten behauptet worden ist, nicht stattgefunden, weder quantitativ noch qualitativ.» Auch sonst verbreitet der Publizist groteske Meinungen. So soll das Schweizerkreuz kein christliches Symbol sein, sondern eine germanische Rune. Weiter behauptet er, wenn man das Geburtsdatum des Propheten Mohammed nach dem «richtigen» Kalender rechne, falle dieses auf den 20. April — also das Geburtsdatum Adolf Hitlers.
Aus dem «WoZ»-Artikel geht hervor, dass der Konvertit tatkräftig mitgewirkt hat, um «Halbmond und Hakenkreuz zu vereinen». Einer seiner engsten Freunde ist der Lausanner Bankier François Genoud. Dieser spielt in der Neonazi-Szene eine führende Rolle. Gleichzeitig arbeitet Genoud eng mit radikalen palästinensischen Gruppen zusammen, insbesondere mit der Popular Front for the Liberation of Palestine (PFLP). Während Genoud Terroranschläge dieser linken Gruppierung finanziert haben soll, fördert Huber aktiv die proarabische Sicht bei den Linken in der Schweiz.
Rausschmiss aus der SP
Der «WoZ»-Artikel deckt nur einen kleinen Teil des unheimlichen Netzwerks Hubers von alten Nazis, jungen Rechtsextremen und arabischen Antisemiten auf. Doch das genügt der SP-Spitze, um zu erklären, dass dieser Mann für die Partei untragbar sei. Freiwillig will Huber aber nicht austreten. Er bezeichnet sich weiterhin als «Trotz-allem-noch-Linker». Nach längerem Hin und Her leitet die SP-Sektion Bern Ost schliesslich ein Ausschlussverfahren ein.
Am 31. Januar 1994 debattiert die Partei über den Antrag. Huber wiederholt in seiner Stellungnahme gegenüber der Parteileitung seine bekannten Positionen und erklärt unter anderem, «dass die Verbrechen der Nazis gewaltig übertrieben wurden, um einerseits die Teilung und Bevormundung Deutschlands sowie andererseits die Schaffung Israels zu rechtfertigen».
Am Ende schliessen die anwesenden Parteimitglieder den linken Islamisten nach 42 Jahren Mitgliedschaft aus der SP aus. Huber reagiert mit einer gezielten Provokation, indem er seinen Seelenzustand wie folgt beschreibt: «Meine Ehre heisst Treue» – wohlwissend, dass dieser Satz dereinst das Leitmotiv der Waffen-SS gewesen ist.
Redner auf NPD-Veranstaltungen
Zurückhaltender oder ruhiger wird der Revisionist nach diesem Eklat nicht. Im Gegenteil: Der «linke Muslim», wie er genannt wird, pflegt nun seine Kontakte in rechtsextreme und islamistische Kreise ganz offen. Als freier Publizist hält er Vorträge in Europa, Nordamerika, Afrika sowie im Nahen und im Mittleren Osten. Enge Beziehungen pflegt er zum französischen Rechtsextremisten und Holocaust-Leugner Jean-Marie Le Pen. In der Heimat hält man ihn entweder für einen verschrobenen Spinner oder für einen intellektuellen Grossbrandstifter, wie «Das Magazin» schreibt.
Einen Bruder im Geiste bei der Neuen Rechten erkennt er im Deutschen Horst Mahler. Der ehemalige Führer und Anwalt der Rote-Armee-Fraktion (RAF) hat sich vom Linksterroristen zum Rechtsextremen gewandelt und bewegt sich seit Ende der 1990er Jahre in diesem Milieu. Er ist zeitweise Mitglied der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD). Der Konvertit tritt immer wieder an NPD-Veranstaltungen auf und spricht dort über das Thema «Islam und Neue Rechte». In der Schweiz ist er regelmässig zu Gast bei Veranstaltungen von Rechtsextremen, gilt aber mit seinem Islamofaschismus als Aussenseiter.
Seine Auftritte werden in der Schweiz kaum wahrgenommen. Im November 2001 gerät er jedoch unvermittelt in den Fokus der Weltöffentlichkeit. Ahmed Huber erscheint nämlich unter der Nummer 56 als einziger Schweizer auf einer Liste von 62 Organisationen und Personen, die von der Uno verdächtigt werden, an den Terroranschlägen vom 11. September 2001 beteiligt gewesen zu sein.
Huber hat die zweifelhafte Berühmtheit der Tatsache zu verdanken, dass die Firma Al Taqwa Management, in deren Verwaltungsrat er sitzt, für das Netzwerk von Usama bin Ladin im grossen Stil Geld gewaschen haben soll. Er bezeichnet die Vorwürfe als «fertigen Gugus». Es handle sich um eine Erfindung des israelischen Geheimdienstes Mossad, behauptet er. Bei der Firma handle es sich um ein harmloses Hilfswerk für muslimische Brüder. Die Beteuerung nützt nichts. Die Bundeskriminalpolizei führt bei dem mittlerweile 74-Jährigen eine Hausdurchsuchung durch. Seine monatliche AHV-Rente wird vorübergehend mit einer Verfügungssperre belegt.
Huber unternimmt nichts, um den Verdacht zu zerstreuen. So bezeichnet er das Word Trade Center, das zerstört wurde, als «Turm der Gottlosigkeit» und das ebenfalls angegriffene Pentagon als ein «Symbol Satans». 9/11 ist für ihn «eine Tat des Gegenterrors». Im Gegensatz zu anderen Verdächtigen stellt er kein Gesuch, dass er von der Liste gestrichen wird. Er begründet dies unter anderem damit, dass er als Muslim und Schweizer stolz sei, auf der Terroristenliste von Machthabern zu stehen, die seit Jahrzehnten weltweit Terrorregime unterstützten.
Im Jahr 2007 stellt die Bundesanwaltschaft schliesslich die Ermittlungen in der Angelegenheit ein. Sämtliche Versuche, Ahmed Huber von der US-Terrorliste zu entfernen, scheitern. Als er am 15. Mai 2008 stirbt, steht er also offiziell noch immer unter Terrorverdacht. «Unheimlich freundlich – und unheimlich» betitelt die Zeitung «Der Bund» seinen Nachruf.