Ostschweiz am Sonntag.
Der Präsident der Jungen SVP Neuenburg ist am Freitag per sofort von allen Ämtern zurückgetreten. Auslöser war eine Recherche unserer Zeitung über seine Verbindungen zur Neonazi-Szene.
Die meisten seiner Spuren sind aus dem Internet verschwunden, Stève Cao hat sein Facebook-Konto am Freitag gelöscht. Doch das Video, das den 30-Jährigen seine Ämter kostete, ist nach wie vor auf dem sozialen Netzwerk zu sehen.
Die Bilder zeigen ihn als Präsidenten der Jungen SVP Neuenburg auf dem Rütli am 1. August dieses Jahres. Im Hintergrund singt eine Gruppe die Nationalhymne mit dem alternativen Text, den die Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft propagiert. Cao findet den schlecht, er hält den linken Daumen nach unten. Dabei dreht er sein Tattoo auf dem Unterarm in die Kamera: «Meine Ehre heisst Treue», steht dort.
Leitspruch der SS auf dem Unterarm
Gestochen in die Haut des jungen Mannes ist der Leitspruch der Schutzstaffel, kurz SS. Diese war verantwortlich für eine Vielzahl von Kriegsverbrechen während des Dritten Reiches. Unter anderem gehörten ihr die Wachmannschaften der Konzentrationslager an, in denen die Mehrheit der 6 Millionen ermordeten Juden umkamen, zudem unzählige politische Gefangene und Angehörige weiterer Minderheiten wie Homosexuelle, Behinderte, Sinti und Roma. Trotzdem tragen heute noch Neonazis die Symbole der SS.
Unsere Zeitung hat den Präsidenten der SVP Schweiz am Freitag im Bundeshaus mit den Bildern des Neuenburger Funktionärs konfrontiert. Albert Rösti reagierte schockiert. «Rechtsextremes Gedankengut hat absolut keinen Platz in unserer Partei, das ist nicht tolerierbar», sagte er. «Ich verurteile solches Verhalten in aller Form. Für mich besteht da kein Spielraum.»
Am frühen Freitagnachmittag reichte Stève Cao seinen sofortigen Rücktritt aus persönlichen Gründen ein – aus der Partei, aus dem Gemeindeparlament von La Chaux-de-Fonds sowie aus der Führung der Jungen SVP Neuenburg, deren Präsident er seit etwas mehr als einem Jahr war.
In einem Telefongespräch hatte er sich zunächst gerechtfertigt. Das Tattoo sei eine Dummheit aus seiner Jugendzeit, die fast 15 Jahre her sei. Er wolle die Markierung seit langem entfernen und habe sich dafür einer ersten Laserbehandlung unterzogen; die Prozedur sei aber sehr teuer. Die Fehler seiner Vergangenheit habe er erkannt und dem rechtsextremen Gedankengut und dem Hass abgeschworen. Er sei Doppelbürger und habe eine ausländische Freundin sowie homosexuelle Freunde, könne also kein Rechtsextremer sein.
Doch klickte er erst vor wenigen Wochen «Gefällt mir» auf der Facebook-Seite einer neu gegründeten französischen Band, die ihren Namen in Frakturschrift setzt: Leibstandarte NSBM. Leibstandarte nannte sich Adolf Hitlers Leibwache, die Vorgängerorganisation der SS. NSBM steht für nationalsozialistischen Black Metal, eine rechtsextreme Musikströmung. Caos Facebook-Profil zeigte mehrere weitere Hinweise auf rechtsradikale Bands und Gruppen. Er sagte am Telefon dazu, er schaue nicht alles an, was er anklicke. Die Waffen gehörten ihm, er sei Sammler und Schütze. Später zog er alle Aussagen zurück mit der Begründung, die Worte würden ihm ohnehin zu seinem Nachteil im Mund umgedreht.
SVP Schweiz lässt Junge SVP durchleuchten
Dazwischen hatte Cao mit dem Präsidenten der Jungen SVP Schweiz telefoniert, der ihm eine unmissverständliche Botschaft aus der Parteizentrale übermittelte: Entweder trete er sofort zurück, oder die SVP Schweiz leite ein Ausschlussverfahren gegen die Neuenburger Sektion ein. Benjamin Fischer, Präsident der Jungen SVP Schweiz, distanzierte sich von Cao. «Ich wusste nichts von seiner Vorgeschichte, ich hatte nie mit ihm Kontakt, er war nie an Sitzungen des Zentralvorstands», sagt Fischer. «Nationalsozialistische Tendenzen haben bei uns ganz sicher nichts zu suchen, da gibt es keine Toleranz. Die SVP steht für Demokratie.» Auch Stéphan Moser, Chef der Neuenburger Kantonalpartei, sagt: «Stève Caos Vergangenheit war mir nicht bekannt.»
SVP-Präsident Albert Rösti zeigte sich erleichtert darüber, «dass Cao seine Verantwortung selbst wahrgenommen hat». Er habe dem Präsidenten der SVP Neuenburg überdies den Auftrag erteilt, «dafür zu sorgen, dass solches Gedankengut keine Nachahmer findet bei uns und wir das überprüfen».
Zweideutige Tattoos bei weiterem Mitglied
Anlass für Röstis Anweisung sind Tattoos eines weiteren Mitglieds der Jungen SVP. Es trägt ein Symbol, das zweideutig und bei Rechtsextremen beliebt ist: das gleichschenklige keltische Kreuz. Dieses ist eigentlich ein heidnisches europäisches Kultussymbol. In seiner gleichschenkligen Form wurde es aber von der Volkssozialistischen Bewegung Deutschlands/Partei der Arbeit benutzt, einer rechtsextremen Gruppierung der 1970er-Jahre. Eines ihrer Mitglieder erschoss 1980 bei Koblenz zwei Schweizer Polizeibeamte.
Der Präsident der Neuenburger SVP, Stéphan Moser, sagt dazu: «Die Neuenburger SVP ist keinesfalls ein Nest von Rechtsextremen.» Die Junge SVP etwa habe auch schon Interessenten den Beitritt verweigert. Die tätowierte Person sei kein aktives Mitglied der Jungen SVP.
Den Basler Rechtsextremismus-Experten Samuel Althof beunruhigt das Aufscheinen solcher Tattoos in der Neuenburger SVP. «Das Symbol ist per se nicht rechtsextrem», sagt er. «Aber es würde sich kaum jemand dieses stechen lassen, der nicht mit solchem Gedankengut sympathisiert.» Rechtsextreme wüssten genau, welche Grenzen sie einhalten müssten, um symbolisch auf der legalen Seite zu bleiben und von Gleichgesinnten dennoch verstanden zu werden. «Wer solche Tattoos trägt, signalisiert zumindest Zweideutigkeit. Damit zieht man Rechtsextreme an», sagt Althof. «Darum ist im politischen Feld Eindeutigkeit gefragt.»
Eine Partei in Turbulenzen
Die neuerlichen Turbulenzen erschüttern die Neuenburger SVP in einer ohnehin schwierigen Zeit. Ihr Präsident Yvan Perrin trat 2014 nach nur einem Jahr im Amt wegen eines Burn-outs zurück. Im April verlor die Partei bei den kantonalen Wahlen 11 von 20 Sitzen, kurz danach nahm Perrin auch als Parteichef den Hut. Ihren Nationalrat Raymond Clottu schloss die Kantonalpartei wenig später aus, weil er seinen Mitgliederbeitrag nicht bezahlen wollte.
Die Mutterpartei begleitet die kantonale Sektion darum «intensiv», wie Albert Rösti sagt. Trotzdem habe er nicht gewusst, dass der Präsident der Jungen SVP Verbindungen zur rechtsextremen Szene hatte, sagt Rösti: «Mit dem Teilabsturz entstand ein Vakuum, das wohl Trittbrettfahrer nutzten, die das Gedankengut der SVP nicht teilen.»
Probleme mit rechtsextremen Tendenzen hat die SVP aber nicht nur in Neuenburg. Erst im November war der Chef der Ortspartei St. Margrethen, Marcel Toeltl, zurückgetreten; im Juli davor hatte das Bundesgericht festgehalten, Toeltl dürfe als «bekennender Rassist» und «Nazi-Sympathisant» bezeichnet werden. In Schaffhausen schloss die Partei im vergangenen Jahr ihren Kantonsratskandidaten Claudio Gantert aus, nachdem dieser Hitler-Parolen in sozialen Medien verbreitet hatte. Eine Reichskriegsflagge hatte der im März abgewählte Walliser SVP-Regierungsrat Oskar Freysinger zu Hause hängen.
Fachleute wie Extremismusforscher Samuel Althof sind sich dennoch darin einig, dass die SVP keineswegs eine rechtsextreme Partei ist. Sie übe aber eine Anziehungskraft auf Personen mit solchem Gedankengut aus. «Rechtsextreme probieren in die Partei zu gelangen, weil sie sich dort mehr politische Chancen versprechen», sagt Althof. «Die SVP müsste das Problem darum strukturell angehen und ihre Parteimitglieder genauer anschauen – ähnlich, wie es die Armee macht.»
Allerdings scheint Stève Cao auch bei der Armee durch die Maschen gegangen zu sein. Auf Facebook hatte er Bilder von mehreren Schusswaffen, unter anderem seinem Sturmgewehr, veröffentlicht. Er sei Waffensammler und Schütze, sagte er dazu. Aber er habe seinen Dienst inzwischen beendet und die Waffe abgegeben.