Tsüri.
Er soll Waffen zu Hause lagern, an einen apokalyptischen Rassenkrieg glauben und der rechtsradikalen Gruppe «Eisenjugend» angehören. Nun fordern die Mitstudierenden des 19-jährigen ZHdK-Studenten in einer Petition, dass dieser sofort exmatrikuliert wird. Wir haben mit den Initiant*innen über ihre Ängste und Forderungen gesprochen.
Vergangene Woche berichtete der «Tages-Anzeiger» in einem Artikel ausführlich über die rechtsextreme Gruppe «Eisenjugend Schweiz». Kurz zusammengefasst heisst es darin: «In Videos posieren sie schwer bewaffnet und in verschlüsselten Chats fantasieren sie davon, die Gesellschaft ins Chaos zu stürzen. Die Rechtsextremisten Gruppe Eisenjugend aus Winterthur glaubt daran, nach dem Sieg eines apokalyptischen Rassenkriegs als weisse Elite zu herrschen.» Die Eisenjugend ist seit Anfang 2020 aktiv und gleicht in ihrer Symbolik, Ideologie und ihrem Auftritt einer der gefährlichsten Neonazi-Gruppen unserer Zeit, der Atomwaffen Division. Diese stammt aus den USA und hat bisher mindestens fünf Menschen getötet. Die Eisenjugend soll laut Medienberichten lediglich eine Handvoll Mitglieder umfassen.
Einer ihrer federführenden Köpfe soll ein 19-jähriger Winterthurer sein, der an der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) studiert und nach Angaben der Zeitung mehrere halbautomatische Gewehre zu Hause lagern und in der Vergangenheit bereits mit antisemitischen Stickeraktionen, rechtsextremen Zoom-Attacken und völkischen Semesterarbeiten an der Schule aufgefallen sein soll. Wie unter anderem die «NZZ» schreibt, ist es am vergangenen Mittwoch zudem zu einer Hausdurchsuchung der Kantonspolizei und Sicherstellung von Waffen gekommen.
Jemand, der sich so extrem mit rechtsideologischen Inhalten, Rassenfragen, Waffen und der Vernetzung und aktiven Teilnahme in rechtsextremen Gruppierungen auseinandersetzt, gehört nicht an eine Kunsthochschule.
ZHdK-Petitionär*innen
Mehrere Studierende der ZHdK haben daraufhin eine Petition lanciert, damit sich die Schule vom mutmasslichen rechtsextremen Studenten trennt und diesen exmatrikuliert – gestützt auf das Leitbild, die Diversity Policy und, wie sie auf der Website der Petition schreiben, die gesellschaftliche Verantwortung, welche die ZHdK inne habe. «Jemand, der sich so extrem mit rechtsideologischen Inhalten, Rassenfragen, Waffen und der Vernetzung und aktiven Teilnahme in rechtsextremen Gruppierungen auseinandersetzt, gehört nicht an eine Kunsthochschule», finden sie.
Bislang wurde die Petition von gut 1700 Menschen unterschrieben. Tsüri.ch konnte mit ihren Initiant*innen, die anonym bleiben möchten, sprechen: «Wir haben zeitgleich, aber unabhängig voneinander durch die mediale Berichterstattung von der rechtsextremen Gruppierung Eisenjugend Kenntnis genommen und mussten in Erfahrung bringen, dass deren gewaltbereiter und bewaffneter Anführer ein eingeschriebener Student der Zürcher Hochschule der Künste ist. Nach den antisemitischen Aktionen und digitalen Zoom-Attacken an der Schule haben wir eins und eins zusammengezählt, wodurch wir einen klaren Zusammenhang zwischen dem Studenten und den diskriminierenden Vorkommnissen an der Hochschule sahen».
Schule reichte Anzeige gegen Unbekannt ein
Die Petitionär*innen beschreiben die Zoom-Attacke vom 20. April wie folgt: «Jemand crashte eine digitale Vorlesung mehrfach und schrie nebst rassistischen und diskriminierenden Beleidigungen ‹Heil Hitler!›. Daraufhin folgte ein E-Mail seitens der Schule, in dem stand, dass ein solches Verhalten aufgrund des Leitbildes nicht toleriert werde und Anzeige gegen Unbekannt eingereicht worden war. Zu diesem Zeitpunkt war noch niemandem mit nachweisbaren Fakten bewusst, dass sich diese Person in den eigenen Reihen befinden würde.»
Seither seien durch die mediale Berichterstattung jedoch die gesamte Identität und der rechtsterroristische Hintergrund des Studenten offengelegt worden – und trotzdem habe sich nichts weiter getan. «Trotz zahlreicher aufklärender Medienberichte reagierte die ZHdK erst viel später, genauer gesagt am 10. August, darauf und berichtete über eine Person, die einen rechtsextremen Hintergrund zu haben scheine», so die Studierenden.
Wir fühlen uns bedroht.
ZHdK-Petitionär*innen
Die Tatsache, dass der Student auf mehreren Bildern von rechtsextremen Gruppierungen erkennbar sei, werde ignoriert, erzählen die Petitionär*innen. Ebenfalls nicht thematisiert werde der Fakt, dass die Kantonspolizei Zürich bei einer Hausdurchsuchung mehrere Schusswaffen sichergestellt habe. «Wir fühlen uns bedroht», so die Studierenden. Und all jenen, welche die Petition unterzeichnet haben, gehe es gleich. «Wer will denn bitte mit einem schwerbewaffneten Mitstudenten im Unterricht sitzen, der in einem ‹Staat der Weissen› herrschen will, und dafür auch bereit ist einen Waffenkrieg zu führen? Wir wollen Taten und nicht nur Worte.»
Man wünsche sich zudem eine Erklärung, wie das Leitbild der ZHdK in Zukunft präventiv umgesetzt und Menschen wie besagtem Studenten der Platz im Schulalltag aktiv entzogen werden könne. «Wir fordern weiter, dass sämtliche Schritte, interne Diskussionen, Massnahmen und präventive Massnahmen gegen rechten Extremismus an der ZHdK komplett transparent mit allen Angehörigen der Hochschule kommuniziert werden. Sie alle haben ein Anrecht auf das Wissen über die aktuelle Situation und über den Umgang damit.»
Diskriminierungen jeglicher Art dulden wir nicht an unserer Hochschule.
ZHdK-Mediensprecherin Caroline Süess
Stellungnahme der Hochschule
Die Verantwortlichen der ZHdK liessen auf Anfrage verlauten, dass die Hochschulleitung die in der Petition ausgedrückte Sorge teilt. «Die Sicherheit von ZHdK-Angehörigen hat höchste Priorität. Die Hochschulleitung der ZHdK nimmt ihre Verantwortung im engen Kontakt mit offiziellen Stellen und Behörden in vollem Umfang wahr. Gemäss ZHdK-Leitbild ist die Achtung der Würde und Integrität aller ein nicht verhandelbares Gut. Diskriminierungen jeglicher Art dulden wir nicht an unserer Hochschule», so Mediensprecherin Caroline Süess. Meier habe im Namen der Hochschulleitung am Montag, 10. August, in einem internen Mail an alle Studierende und Mitarbeitenden klargestellt, dass die ZHdK die aktuellen Hinweise und Vorkommnisse sehr ernst nehme und keinen Rassismus, keinen Antisemitismus oder andere Diskriminierungen dulde. Detailliertere Angaben könne man aufgrund des laufenden Prozesses derzeit nicht machen.