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Durchgesickerte E-Mails sollen zeigen, dass Richterinnen und Richter am Basler Strafgericht bei den Prozessen voreingenommen an die Verhandlungen gehen.
Noch immer laufen die Prozesse gegen die Demonstrantinnen und Demonstranten der unbewilligten Nazifrei-Demonstration vom November 2018. Wie die «Wochenzeitung» (Woz) berichtete, habe sie Einsicht in interne E-Mails erhalten. Diese sollen zeigen, dass es unter den Richterinnen und Richtern Absprachen gegeben habe, schreibt die Zeitung am Donnerstag.
«Mit Erschrecken musste ich von einem der Präsidien vernehmen, dass es am Strafgericht Basel-Stadt anscheinend eine Absprache unter den Präsidien gegeben hat, mit ‹linksextremen Demonstranten und Demonstrantinnen› eine gewisse Schiene zu fahren. Ich erinnere hiermit alle eingehend an ihre richterliche Unabhängigkeit!» So habe es ein ordentlicher Richter in einem E-Mail festgehalten, die an alle Richter des Strafgerichts ging, und die der «Wochenzeitung» vorliegt.
Gerichtspräsident verteidigt, Professor kritisiert
Gerichtspräsident René Ernst (SP) habe daraufhin in einer Antwort bestritten, dass es darum gegangen sei, sich bei den Prozessen auf eine Linie zu einigen. Allerdings gibt Ernst zu, dass es tatsächlich Diskussionen zu den Verfahren gegeben habe. Diese seien während Kaffeepausen geführt worden. «Es ging dabei einerseits um organisatorische Belange und andererseits um rechtliche Fragen.»
So sei darüber diskutiert worden, wie Stein-, Flaschen- und Büchsenwürfe gegen die Polizeikette vor Gericht gewertet werden sollen. «Es ging also um eine möglichst gleiche rechtliche Qualifikation von analogen Sachverhalten. Einigen konnten wir uns freilich nicht», zitiert die Woz weiter. Ernst hoffe aber, wie es am Schluss des E-Mails heisse, «dass diese Geschichte nicht an die Öffentlichkeit durchsickert», da mit Unwahrheiten gerade während des Richterwahlkampfes «enormer Schaden» entstehen könne. In der Vergangenheit wurde der Gerichtspräsident bereits für ein Nazifrei-Urteil von den eigenen Reihen kritisiert.
Gegenüber der Woz sagt Ernst: «Dass wir uns über juristische Fragen austauschen, scheint mir naheliegend und normal zu sein. Daraus abzuleiten, es würden verbindliche Abmachungen existieren, ist abwegig.» Der ehemalige Bundesrichter Niklaus Oberholzer äussert gegenüber der Woz aber Bedenken. Er glaubt, ein solcher Austausch könne dazu führen, dass die Richter voreingenommen in die Verhandlungen gehen. Er gehe davon aus, dass sich diese Diskussion erübrigt hätte, wären alle Prozesse gemeinsam geführt worden. In diesem Zusammenhang sei derzeit auch ein Ausstandsverfahren beim Appellationsgericht hängig, so die Woz.
Peter Albrecht, ehemaliger Strafgerichtspräsident und emeritierter Professor für Straf- und Strafverfahrensrecht an der Universität Basel, wählte gegenüber der Woz deutlichere Worte: «Das ist eine äusserst brisante Geschichte.» Er gehe davon aus, dass es sich dabei nicht um einen Austausch gehandelt habe, sondern um «einen Versuch, sich auf eine Linie zu einigen».