«Als ich davon hörte, hat sich mir der Magen umgedreht»

Beobachter.

Der Neonazi Kevin G. hetzt mit seiner Band gegen Juden. Prix-Courage-Preisträgerin Iluska Grass, die viel zu seiner Verurteilung beitrug, ist entsetzt.

Das Zürcher Obergericht verurteilte Kevin G. im Februar 2019 zu einem Jahr Haft. Der bekannte und mehrfach vorbestrafte Neonazi und Sänger der Rechtsrock-Band «Amok» gab sich reuig. Er sei zu Recht verurteilt worden. Er wolle als frischgebackener Familienvater seine Chance packen und habe sich aus dem harten Kern der rechtsextremen Szene verabschiedet, sagte er damals.

Alles nur Show: Auf der neuen CD seiner Band verhöhnt Kevin G. Juden als «Nilpferde», die Skins sind als deren Jäger unterwegs. Textlich verschlüsselt, aber deutlich erkennbar, spielt er auch auf einen antisemitischen Vorfall in Zürich-Wiedikon vom Sommer 2015 an. Kevin G. und seine Kumpels stiessen einen orthodoxen Juden zu Boden, bespuckten ihn und verhöhnten ihn mit Nazi-Parolen. Iluska Grass, die zufällig vorbeikam, schritt ein und konnte Schlimmeres verhindern. Dafür wurde die inzwischen 29-jährige Studentin im vergangenen Herbst mit dem Prix Courage des Beobachters ausgezeichnet. Iluska Grass ist empört über Kevin G.s scheinheiliges Verhalten vor Gericht.


Beobachter: Sie haben im Prozess gegen den Neonazi Kevin G. und seine Kumpane ausgesagt, waren wesentlich daran beteiligt, dass er als Haupttäter verurteilt wurde. Vor Gericht zeigten damals alle Reue. Nur gespielt?
Iluska Grass: Vor Gericht haben sie alle gar nicht geredet, waren ganz stumm, als ich dabei war. Ich war die Einzige, die sprach. Mit ihrer Körpersprache sahen aber alle aus wie geschlagene Hunde, auch Kevin G. Der sass wie ein Häuflein Elend da. Wenn Körpersprache Reue zeigen kann, dann sah es zumindest so aus.


Wie traten sie sonst vor Gericht auf?
Das war ja etwa vier Jahre nach der Tat. Sie hatten alle in der Zwischenzeit ihre Haare wachsen lassen, also keine Glatzen mehr, und trugen Hemden, die ihre Tattoos verdeckten. Sie wollten wohl damit zeigen, dass sie einen Wandel durchgemacht haben. Wahrscheinlich war es nur Verkleidung.


Was lösen die Zeilen der Band «Amok» im Song «Nilpferd Jäger» bei Ihnen aus, die auf den Vorfall vom Juli 2015 anspielen? «Sie haben es gewagt, und das am helllichten Tag, sie spuckten, schubsten, grüssten rum, beinahe brachten sie ihn um.»
In den Weihnachtsferien bin ich auf den Song gestossen, mir hat sich grad der Magen umgedreht: die Zeile, in der sie drohen, dass sie es wieder machen werden. Furchtbar!


Haben Sie sofort gemerkt, dass der Song auf den Vorfall in Wiedikon anspielt?
Man sieht es ja auch im CD-Booklet. Dort ist ein orthodoxer Jude abgebildet und ein roter doppelstöckiger Bus, mit dem die Skins damals fuhren. Ziemlich klarer Fall.


Kevin G. wurde wegen Rassendiskriminierung zu zwölf Monaten Haft verurteilt. Ein zu mildes Urteil, fanden Sie damals. Im Februar muss er seine Gefängnisstrafe antreten, in Halbgefangenschaft, damit er seine Stelle als Metzger nicht verliert. Er hetzt trotzdem ungeniert weiter. Was löst das in Ihnen aus?
Mir ist absolut schleierhaft, wieso er so ein mildes Urteil bekommen hat. Das war ein Fehler. Ich war schockiert und bin es immer noch. Es wundert mich nicht, dass er weiter hetzt, wenn er nur so geringe Strafen zu befürchten hat. In Halbgefangenschaft, das ist doch ein Hohn. Ich hoffe, es gibt nun weitere Konsequenzen.


Der Schweizerische Israelitische Gemeindebund hat jetzt Anzeige gegen Kevin G. erstattet.
Das ist gut, hoffentlich bewirkt das was.


Haben Sie Angst?
Angst um mich und meine Familie habe ich nicht. Eher Angst davor, dass diese Hetze immer weitergeht, dass es nie aufhört. Nur schon dieses neue Album ist schlimm, ist eins zu viel.