Aargauer Zeitung.
Am Samstag demonstrierten Massnahmenkritiker in Baden. Die Organisation «Aargau hält Abstand» hat dazu aufgerufen, diesen zu zeigen, dass sie in Baden nicht erwünscht seien.
Es ist ein skurriles, und dennoch sehr aussagekräftige Bild: Zwei Gruppen von Demonstrantinnen und Demonstranten stehen sich gegenüber, mehrheitlich schwarz angezogen, mit roten Anarchie-Abzeichen, und schreien sich an: «Nazis raus! Nazis raus!» Als wollten sie sich gegenseitig beweisen, dass sie links sind, auch wenn sie an dieser Demo auf verschiedenen Seiten stehen. Die einen demonstrieren gegen die Corona-Massnahmen, die anderen haben dazu aufgerufen, den «Schwurblern» zu zeigen, «dass sie in Baden nicht willkommen sind».
«Mit rechts marschieren, heisst solidarisieren», warfen die Gegendemonstranten den Massnahmenkritikern vor. Rechtsextreme Symbole oder Spruchbänder – wie bei anderen Corona-Demos – waren aber kaum auszumachen, abgesehen von wenigen Pappschildern, auf denen Vergleiche zwischen der momentanen Situation und der NS-Zeit zu lesen waren. Dagegen war augenfällig, dass sich etliche Demonstranten gegen den Vorwurf wehren wollten und mit Regenbogenmasken oder Schildern «Ich bin links, grün und lieb» auf ihre antifaschistische Einstellung aufmerksam machten.
Demonstranten aus allen Lagern
Wenn die massnahmenkritische Demo etwas gezeigt hat, dann dass diese Konfliktlinie nicht entlang der gängigen politischen Schemas verläuft. Unter den Massnahmengegnerinnen und -gegnern befanden sich Leute aus allen möglichen Milieus. Da eine Mutter, die ihr Kind fotografiert, das stolz einen durchgestrichenen QR-Code hochhält und dort Jugendliche mit Schweizerfahnen, die laut nach «Liberté» schreien. Die mittlerweile berühmten Freiheitstrychler und alte Männer in Edelweiss-Hemden genau so wie Heavy-Metal-Fans. Menschen mit übergrossen Hüten die laut herumbrüllten, man müsse jetzt endlich aufwachen, und solche, die still dastanden, «um zu zeigen, dass wir nicht einverstanden sind».
So durchmischt die Gruppe der Gegner und Befürworter, so ähnlich die Schlagworte in den Argumentationen: Während die Befürworter das Zertifikat als Weg zurück in die Freiheit verteidigen, forderten viele Kritiker auf Plakaten ihre Freiheit zurück – und suggerierten gleichzeitig, der Bundesrat gehöre hinter Gitter. Auf der einen Seite Angst vor einem überlasteten Gesundheitssystem, auf der anderen Seite Angst vor staatlichem Zwang. Aufruf zur Solidarität als Argument für die Impfung, fehlende Solidarität mit Impfverweigerern als Vorwurf der Gegenseite.
Demonstration bleibt friedlich
Wieviele Leute am Samstag durch Baden marschiert sind, lässt sich schwer abschätzen, da sich der Umzug durch die Gassen in die Länge zog und kaum ganz zu überblicken war. Die Polizei spricht von mehreren hundert Personen. Diese versammelten sich um 14 Uhr beim Löwenbrunnen und empfingen die Freiheitstrychler mit Applaus und und Sprechchören. Danach setzte sich der Umzug für anderthalb Stunden in Bewegung, bis man auf der vorgegebenen Route wieder am Startpunkt ankam.
Obwohl am Samstagnachmittag Argumente ausgetauscht wurden, konnte man sich kaum des Eindrucks erwehren, dass die Meinungen bereits gemacht sind. Die unbeteiligten Zuschauerinnen und Zuschauer betrachteten den Demonstrationszug teils unter Kopfschütteln, andere applaudierten. Viele Passanten filmten oder fotografierten, es entstand zeitweise schon fast die Atmosphäre wie an einem Fasnachtsumzug.
Auch wenn sich manche Personen in ihren Wortgefechten gegenseitig Aggressivität vorwarfen, handgreiflich wurde es nie. Manchmal stellte sich die Polizei zwischen zwei Personengruppen, viel Arbeit hatten die Beamten aber nicht, wie es auch in der Medienmitteilung der Kantonspolizei heisst: «Wie angekündigt formierte sich punktuell Widerstand in Form kleinerer Gegendemonstrationen. Zwar führte dies zu Wortgefechten und gegenseitigen Provokationen, machte ein Eingreifen der Polizei aber nicht notwendig.» Lediglich ein 28-jähriger Teilnehmer der Kundgebung wurde zur näheren Überprüfung angehalten und anschliessend weggewiesen.