Die Antifa Bern, als Teil des Bündnis „Alle gegen Rechts“, blickt mit gemischten Gefühlen auf den Antifaschistischen Abendspaziergang vom 20. März 2004 zurück. Die Demonstration durch die Berner Innenstadt stand unter dem Motto „Gegen rechte Bürokraten und Nazis auf der Strasse“.
Erfolgreiche Mobilisierung
Da ist einerseits der grosse Mobilisierungserfolg: Mit über 4000 Personen nahmen so viele DemonstrantInnen wie nie zuvor am Abendspaziergang teil und setzten so ein wichtiges Zeichen für eine solidarische und tolerante Gesellschaft.
Auf zahlreichen Transparenten, Flugblättern und mit Sprechchören äusserten sich die TeilnehmerInnen gegen Rassismus und faschistische Tendenzen. Das Bündnis „Alle gegen Rechts!“, welches den Abendspaziergang jeweils organisiert, war mit Redebeiträgen und einer umfangreichen Kampagne in Heftform präsent. Die Antifa Bern verteilte über tausend ihrer „lautstark!“-Magazine. Die in den Medien mehrfach kolportierte Aussage, an der Demonstration seien keine Inhalte zum Tragen gekommen, trifft ganz sicher nicht zu.
Provokatives Polizeigrossaufgebot
Leider ist der Abendspaziergang nicht voll geglückt, dazu beigetragen haben mehrere Faktoren. Die Polizei gab von Anfang an mit einem überdimensionierten Aufgebot den Tarif durch. Das neue Konzept der Polizeidirektion, die Demonstration mit einem engen Grenadierkordon begleiten zu lassen, wirkte kontraproduktiv und sorgte für eine angespannte Atmosphäre.
Mitunter war der Polizeieinsatz auch gefährlich: Den PolizistInnen, die am Rande des Umzugs mitmarschieren mussten, war teilweise die Angst regelrecht ins Gesicht geschrieben. In der Marktgasse entlud sich ihre Nervosität in einem gefährlichen Gummischroteinsatz. Demonstrierende wurden aus nächster Nähe beschossen. Bilanz: Mehrere Verletzte. Eine Entwicklung, die uns mit Besorgnis erfüllt: Immer häufiger kommt es zu Verletzungen durch Nahschüsse, das Konzept, begleitende PolizistInnen mit Distanzwaffen auszurüsten, ist verantwortungslos.
Die neue Polizeistrategie führt dazu, dass sich DemonstrantInnen vermehrt mit Helm und Brille schützen. Dieser Selbstschutz wiederum wird als zunehmende Gewaltbereitschaft gewertet und zieht noch grössere Polizeiaufgebote nach sich. Eine ungute Aufrüstungsspirale.
Zusammenstoss mit Hooligans
Die Polizei leitete während des Abendspaziergangs den Verkehr grossräumig um und verwandelte die Innenstadt in ein regelrechtes Sperrgebiet. Die Hooligans des SC Bern vergass sie offenbar. Wie erklärt sich die Einsatzleitung den Fakt, dass eine Hundertschaft von SCB-Fans – darunter Nazi-Hools, die ihren Arm zum Hitlergruss erhoben – über die Lorraine-Brücke zur Schützenmatte gelangen und so zur sich auflösenden Demonstration vorstossen konnte? Die Hooligans wurden übrigens bereits im Stadion mehrmals darüber informiert, dass „3000 Antifas in der Stadt demonstrieren würden“ (O-Ton Stadionsprecher).
Unkooperatives Verhalten
Nach dem Ende der Demonstration beim Bollwerk wurden die TeilnehmerInnen per Lautsprecher darauf aufmerksam gemacht, dass die Gassenküche in der Reitschule für alle kochen und im Dachstock ein Konzert stattfinden würde. Wegen der Präsenz von Nazi-Hools wurde den Demonstrierenden, welche sich auf die Züge begeben wollten, nahe gelegt, sich geschlossen in Gruppen zum Bahnhof zu bewegen. Die Polizei fasste den geschlossenen Rückzug der Demonstrierenden als Angriff auf und verwehrte den Heimkehrenden just vor dem Bahnhof den Durchgang – unter Einsatz des Wasserwerfers.
Störer in den eigenen Reihen
Ein weiterer Problempunkt war, dass Einzelne die grosse Menschenansammlung nutzten, um ihren unpolitischen Zerstörungsgelüsten nachzukommen: Autos zerkratzen, mit Tags Revier markieren etc. Wir verurteilen dies!
Es darf nicht sein, dass das Werk einzelner StörerInnen das Bild von über 4000 Menschen kaputt macht, welche für eine Welt ohne Ausgrenzung und Rassismus auf die Strasse gehen. Der Demoschutz sowie beherzte DemonstrantInnen versuchten immer wieder, die wenigen Einzelpersonen vor sinnlosen und destruktiven Aktionen abzuhalten. Ebenso wurde über den Lautsprecherwagen klar kommuniziert, dass von solchen Sachbeschädigungen abzusehen ist.
Die Ausschreitungen nach Auflösung der Demonstration auf der Schützenmatte waren unsinnig. Eine Gruppe Demonstrierender liess sich von den sich nähernden Nazi-Hools und dem riesigen Polizeiaufgebot zu Flaschenwürfen provozieren. Der Demoschutz und Personen aus dem Umfeld der Reitschule versuchten auch hier, zu vermitteln und Ausschreitungen zu verhindern. Leider war dieses Vorhaben schwierig und teilweise auch gefährlich. Gefährlich aus zwei Gründen: Einerseits feuerte die Polizei ununterbrochen Gummischrot und Gas auf den Parkplatz vor der Reitschule, andererseits zeigten sich die Flaschenwerfer nicht gerade kooperativ. Erschreckend viele unter ihnen waren alkoholisiert.
Sportveranstaltungen verbieten?
Den Abendspaziergang nutzen bürgerliche Parteien einmal mehr, um gegen die Reitschule und den Leistungsvertrag mit der Stadt zu wettern. SVP-Polizeidirektorin Begert ihrerseits will den Spaziergang in Zukunft gar nicht mehr stattfinden lassen. Wieso soll der Abendspaziergang im Keim erstickt werden? Nach Sportveranstaltungen kommt es regelmässig zu Ausschreitungen von Hooligans. Deswegen werden Fussballspiele oder Eishockeymatches auch nicht verboten.
Die Antifa Bern wird nun über die Bücher gehen und die Geschehnisse genau analysieren. Wir werden auch nicht vor der Frage zurückschrecken, ob ein Abendspaziergang in dieser Art und Weise die geeignete Plattform ist für unsere Inhalte.
Antifa Bern